VfR Neumünster überrascht mit Minikader positiv gegen Heide, stürzt aber 1:6 ab

von Helwig Pfalzgraf

Ilir Serifi (VfR Neumünster) gegen Lambach, Storb, Kroeger und Gieseler (v. l. n. r., Heide). Rechts Moshood Adesanya. © 2024 Olaf Wegerich


In der Oberliga traf der zuletzt kaum Oberligaformat zeigende VfR Neumünster auf den Regionalliga-Aspiranten Heider SV. Die Favoritenrolle lag also ganz klar bei den Gästen von der Meldorfer Straße. Die 273 Zuschauer in der Grümmi-Arena kamen dann auch voll auf ihre Kosten und bekamen wieder ein denkwürdiges Spiel zu sehen. In der ersten Hälfte überraschten die Veilchen den Gast aus der früheren freien Bauernrepublik Dithmarschen mit couragiertem Spiel und führten nicht ganz unverdient mit 1:0. In der zweiten Halbzeit allerdings brach Rasensport, wie schon im letzten Heimspiel gegen Eidertal, komplett auseinander, kassierte sechs Tore und erlebte sein Waterloo.

Dem VfR standen wieder nur 12 Feldspieler des Oberligakaders zur Verfügung, dazu war erneut Araik Arshakjan aus der zweiten Mannschaft im Kader. VfR-Trainer Liridon Imeri setzte auf den zuletzt so anfälligen Außenbahnen auf Altbewährtes aus der letzten Saison. Murat Rasgele (zuletzt im Mittelfeld eingesetzt) verteidigte rechts und Christoph Kahlcke (zuletzt Innenverteidiger) rückte wieder auf die Linksverteidigerposition. Neben Kenny Korup spielte in der Innenverteidigung der nach seiner Gelb-Rot-Sperre wieder einsatzbereite Rin Yoshimatsu.

Heides Trainer Markus Wichmann, der in Neumünster aufgrund seiner aktiven Spielerzeit beim VfR immer noch hochgeschätzt wird, konnte dagegen aus seinem breiten Aufgebot auswählen. Ein gestandener Regionalliga-Akteur wie Steffen Neelsen kam heute beispielsweise gar nicht zum Einsatz. Jede Position ist bei den Heidern mindestens doppelt besetzt, da muss das Coachen Spaß machen.

Mika Kieselbach (li., Heide) im Kopfballduell mit Christopher Kramer (VfR Neumünster). © 2024 Olaf Wegerich
Mika Kieselbach (li., Heide) im Kopfballduell mit Christopher Kramer (VfR Neumünster). © 2024 Olaf Wegerich

Das Spiel beginnt zunächst wie erwartet Richtung Eric Gründemann im VfR-Tor. Heides Torjäger Mika Kieselbach läuft relativ unbedrängt von halbrechts auf Gründemann zu, scheitert aber an diesem (4.). In den ersten Minuten versucht es Heide meist über rechts, über den schnellen Daouda Soumah. Seine Flanke auf den zweiten Pfosten erreicht Jonah Gieseler, dessen Kopfball aus kurzer Distanz Gründemann mit Lattenunterstützung meisterhaft entschärft (5.). Doch in Führung geht die Elf von Liridon Imeri. Sterling Watring wird rechts eingesetzt, dessen lange Flanke auf den zweiten Pfosten Christopher Kramer auf Kevin Schulz ablegt, der frei vor HSV-Keeper Christopher Thomsen einschiebt. 1:0 nach acht Minuten.

Mit der Führung im Rücken agierte auch der von youkick schon totgesagte VfR immer sicherer. Zwar hat die Wichmann-Elf um den letztjährigen Rasensport-Akteur Björn Lambach deutlich mehr Spielanteile, aber der VfR steht äußerst kompakt und lässt wenig zu. Gründemann ist gut beschäftigt, aber vor schwer lösbaren Aufgaben wie in der Anfangsphase steht er nicht mehr. Immer wieder wird der Heider Spielaufbau erfolgreich gestört.

Als Kahlcke einen langen Ball auf Soumah abfängt, durchmarschiert und nach Doppelpass mit Ilir Serifi halblinks frei vor Thomsen auftaucht, kann sich Heide bei seinem Keeper bedanken, der abtaucht und abwehrt (38.). So geht es mit einer unerwarteten, aber nicht unverdienten Rasensport-Führung in die Pause.

Jonah Gieseler (Heide) gegen Christopher Kahlcke (VfR). © 2024 Olaf Wegerich
Jonah Gieseler (Heide) gegen Christopher Kahlcke (VfR). © 2024 Olaf Wegerich

Auch nach dem Wechsel beginnt es für die Heimelf zunächst gar nicht schlecht. Kieselbach hat zwar den ganz schnellen Ausgleich auf dem Fuß (47.), wird aber gerade noch von Yoshimatsu zur Ecke geblockt. Im Gegenzug wird Ola Adesanya im Strafraum von Helge Kröger fair abgegrätscht, die sehr starke Bundesliga-Schiedsrichterin Mirka Derlin pfeift, gibt den zunächst gepfiffenen Elfmeter für den VfR dann aber zu Recht doch nicht (50.). Mit Schiedsrichterball geht es weiter. Nach einem Seitfallzieher von Kramer, der knapp am Tor vorbeigeht (52.), beginnt jedoch das Drama für Rasensport.

Plötzlich ist die Heimelf nicht mehr wiederzuerkennen. Nach Heides langem Einwurf durch Pascal Ayene – vorher ein Dutzend mal souverän wegverteidigt – verlängert der in der Luft konkurrenzlose Jonah Gieseler auf den zweiten Pfosten, wo sich Gründemann und ein Abwehrspieler gegenseitig irritieren und Kieselbach den Fuß reinhält – 1:1 (57.).

Dann reitet dem im bisherigen Spiel so starken Rin Yoshimatsu – eine Verständigung auf dem Platz mit seinen Mitspielern ist sichtlich immer noch nicht möglich – vollständig der Teufel. Er vertändelt gegen Ayene, Kieselbach schiebt ins leere Tor (59.).

Nach dem letzten schönen VfR-Angriff des Spiels (64.) muss Heides Lennart Busch, ebenfalls ein ehemaliger Neumünsteraner, Ilir Serifi auf Kosten einer gelben Karte stoppen. Den fälligen Freistoß aus 20 Metern zentraler Position knallt Kramer an den Pfosten. Das war das letzte Lebenszeichen des VfR in diesem Spiel.

Murat Rasgele (VfR) gegen Marvin Wolf (Heide). © 2024 Olaf Wegerich
Murat Rasgele (VfR) gegen Marvin Wolf (Heide). © 2024 Olaf Wegerich

Nun bricht der VfR völlig ein. Einige Spieler gewinnen kaum noch Zweikämpfe, der Zugriff geht völlig verloren. Watring und Visar Mehmeti, sehr ähnliche, dribbelstarke, offensiv ausgerichtete Spieler, können der Elf defensiv gar nicht mehr helfen und auch offensiv nichts mehr ausrichten. Die dringend erforderlichen Alternativen, die jetzt von der Bank kommen und wirklich helfen könnten, hat Imeri jedoch nicht. So wird der Heider Druck immer stärker, inzwischen wird fast jeder zweite Ball erobert. Nach einem schnellen VfR-Ballverlust im Aufbau nach einem abgewehrten Standard erhöht der sich noch für den Standard vorne befindliche Abwehrchef Patrick Storb mühelos auf 1:3 (67.). 30 Sekunden später ist bereits Ayene schon wieder frei vor Gründemann, der artistisch den nächsten Einschlag verhindert. Die Einwechslung von Riku Deguchi (72.) für den heute recht starken Serifi bringt nichts und ist dem Prinzip Hoffnung geschuldet. Deguchi bleibt heute ein Fremdkörper im Spiel und geht mit unter.

Nachdem der starke Murat Rasgele verletzt raus muss, bricht die VfR-Defensive endgültig völlig zusammen. Wieder nach einem schon abgewehrten Ball kommt der Ball von der rechten Seite postwendend durch Joker Azat Selcuk wieder nach innen, wo der gerade eingewechselte Lucas Groß knapp vor dem bedauernswerten Kenny Korup an den Ball kommt und mit seiner ersten Ballberührung trifft (1:4, 79.). Beim 1:5 setzt Selcuk von der Mittellinie zum Solo an, geht an Arshakjan vorbei und trifft (88.). Beim 1:6 geht es wieder über die gleiche Seite, in der Mitte ist Kieselbach vor Hendrik Wehde am Ball (92.).

Fazit: Wie schon gegen Eidertal in der zweiten Halbzeit eine VfR-Hinrichtung allererster Güte. Was nützt eine starke erste Hälfte, wenn danach nur noch eine völlig auseinanderfallende Truppe, mit jeder Minute schwächer werdend, auf dem Platz steht? Rasensport taumelt Richtung Landesliga, da Spiele nun mal 90+ Minuten dauern und nicht 45.

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