Kilia siegt in doppelter Unterzahl – Geniestreich von Rezan Acer entscheidet

von Olaf Wegerich

Timo Barendt (PSV) vergibt den Führungstreffer vor Tom Pachulski (Kilia). © 2024 Olaf Wegerich


In einem Spitzenspiel, das nur selten die hohen Erwartungen erfüllen konnte, setzte sich der FC Kilia Kiel dank des goldenen Treffers von Rezan Acer (70.) nicht unverdient mit 1:0 (0:0) beim PSV Neumünster durch. Vor der enttäuschenden Kulisse von nur 295 Zuschauern spielte Kilia lange Zeit in doppelter Unterzahl. Zunächst sah Julius Alt (43.) nach einem taktischen Foul die Ampelkarte, und in der zweiten Halbzeit erwischte es Kilias Spielführer Tom Warncke (61.), der von Schiedsrichter Paul-Oliver Günther des Feldes verwiesen wurde. Trotz vieler personeller Ausfälle zeigte die Mannschaft von Trainer Nicola Sorrano große Moral und konnte nach dem späten Sieg in Heide vor vierzehn Tagen nun auch das Spitzenspiel beim PSV Neumünster für sich entscheiden. Der PSV Neumünster kassierte die zweite Saisonniederlage, blieb erstmals ohne Torerfolg und rutschte auf den 4. Platz ab.

Die Anfangsminuten gingen klar an die deutlich spielbestimmenden Gäste vom Kieler Westufer. Der PSV agierte sehr nervös und fahrig im Spielaufbau und hatte großes Glück, dass die Rumpftruppe von Trainer Nicola Sorrano zunächst kein Zielwasser getrunken hatte.

Als sich dann auch noch Torhüter Torben Franzenburg nach einem Eckball ohne Fremdeinwirkung vor Schmerzen auf den Boden krümmte und für Samuel Aphrem ausgewechselt werden musste, sprach fast alles gegen die Gastgeber.

Marc-Oliver Timm (PSV) gegen Siyabend Ramo (Kilia). © 2024 Olaf Wegerich
Marc-Oliver Timm (PSV) gegen Siyabend Ramo (Kilia). © 2024 Olaf Wegerich

„Torben hat schon länger Probleme mit dem Knie und hat demnächst einen MRT-Termin. Dabei handelt es sich wohl um ein strukturelles Problem. Es steht zu befürchten, dass er uns länger fehlen wird“, sagte PSV-Trainer Marco Frauenstein. Ein weiterer Ersatzmann steht nicht zur Verfügung, da es beim PSV keine 2. Mannschaft mehr gibt. „Da müssen wir uns Gedanken machen“, sagte Frauenstein.

Direkt nach seiner Einwechslung war Aphrem sofort gefordert und klärte gegen Serhat Yazgan mit toller Fußabwehr. Einen schnellen Konter über Tom Baller auf Serhat Yazgan setzte Felix Niebergall (18.) per Direktabnahme knapp über das Tor. Ben Luca Nohns (20.) war über die linke Seite durchgebrochen, doch seinen harmlosen Schuss in Bedrängnis konnte Aphrem halten.

Es dauerte bis zur 20. Minute, bis der PSV die Partie endlich offen gestalten konnte. Die Gastgeber ließen nun den Ball gut durch die eigenen Reihen laufen und wirkten deutlich gefestigter.

Den ersten Abschluss für die bis dahin harmlosen Gastgeber hatte Fynn Claasen (25.), doch sein Schuss aus der Drehung gegen zwei Gegenspieler verfehlte nur knapp das Tor. Im Gegenzug scheiterte Serhat Yazgan (26.) an Samuel Aphrem im PSV-Tor, der mit starker Fußabwehr klären konnte. Nur zwei Minuten später scheiterte erneut Serhat Yazgan aus halbrechter Position am aufmerksamen Aphrem. Kilia versäumte es in dieser wilden Phase, als beide Mannschaften einige Offensivaktionen verzeichneten, den Führungstreffer zu erzielen.

Nach der ersten Trinkpause hatte dann nach einem einstudierten Eckball von Marvin Ehlert Timo Barendt (35.) die Riesenchance für die Gastgeber, den Führungstreffer zu erzielen. Doch der völlig frei stehende PSV-Torjäger verfehlte knapp.

Die nächste dicke Möglichkeit gehörte wieder den Gästen, doch der Schuss von Jannis Voß (37.) nach Vorarbeit von Ben Luca Nohns und Berat Ayyidiz konnte geblockt werden.

Noch vor der Pause sah Julius Alt (43.) in der überaus fairen, fast freundschaftlich geführten Partie für ein taktisches Foul die Ampelkarte von Schiedsrichter Paul-Oliver Günther.

Wer nach dem Seitenwechsel in Überzahl einen stürmisch angreifenden, auf die Führung drängenden PSV erwartet hatte, sah sich zunächst enttäuscht. Die Gastgeber ließen wertvolle Zeit verstreichen und versäumten es, Kilia unter Druck zu setzen. Die Mannschaft von Trainer Nicola Sorrano stand hinten allerdings auch sehr kompakt, und Torhüter Tom Pachulski war lange Zeit kaum gefordert.

Als dann auch noch Kilias Spielführer Tom Warncke (61.) von Schiedsrichter Paul-Oliver Günther die Ampelkarte gezeigt bekam, weil er sich in der Wortwahl vergriffen haben soll, sprach eigentlich alles gegen die Kieler. „Ich habe zum Schiedsrichter nur gesagt, er solle mal auf seine Leistung schauen“, kommentierte Warncke seine Hinausstellung und war fassungslos.

Doch es spricht für die unfassbare Moral und Klasse der Gäste, die nun in doppelter Unterzahl die letzte halbe Stunde überstehen mussten und sich dieser Aufgabe mit Bravour entledigten.

Kilia zeigte dabei nicht nur Nehmerqualitäten, sondern war auch mit der Glücksgöttin Fortuna im Bunde. Ein eigentlich harmloser Freistoß von Rezan Acer (70.) aus dem Halbfeld rutschte durch und fand den Weg ins Tor der Gastgeber. Wahnsinn – Kilia gelang mit viel Dusel in doppelter Unterzahl der Führungstreffer. Dabei bewies Trainer Sorrano ein glückliches Händchen, denn Rezan Acer, dem der Geniestreich gelang, war erst seit sechs Minuten im Spiel und lieferte sofort.

Für die Gastgeber hätte es noch viel schlimmer kommen können, doch Samuel Aphrem verhinderte mit einer tollen Fußabwehr einen weiteren Gegentreffer durch den zur Halbzeit eingewechselten Marvin Müller (73.).

In der Schlussphase erwachte der PSV endlich aus seiner Lethargie und wurde druckvoller. Insbesondere die Hereinnahme von Tim Möller (70.), der lange Zeit auf der Bank schmoren musste, erwies sich als ein guter Schachzug und belebendes Element. So ist es nicht verwunderlich, dass die Gastgeber endlich zu Chancen kamen.

Jesper Tiedemann (PSV) gegen Tom Baller (links) und Felix Niebergall (Kilia). © 2024 Olaf Wegerich
Jesper Tiedemann (PSV) gegen Tom Baller (links) und Felix Niebergall (Kilia). © 2024 Olaf Wegerich

Fynn Claasen (75.) konnte sich in zentraler Position gegen zwei Mann behaupten, doch sein Abschluss war zu zentral. Eine schöne Flanke von Mats Melahn, der zu den Besten beim PSV gehörte und durch seine Zweikampfstärke glänzte, landete bei Timo Barendt (76.), doch dessen Kopfball konnte Tom Pachulski stark halten.

Immer wieder versuchte es der PSV mit hohen Hereingaben, doch Kilia war auch in doppelter Unterzahl weiterhin gut organisiert und nur selten in echter Bedrängnis. Nach einer Flanke von Tim Möller kam erneut Timo Barendt (87.) zum Kopfball, doch wieder stand Tom Pachulski richtig und konnte halten.

Eine weitere Möglichkeit bot sich Fynn Claasen, doch dessen Schuss verfehlte hauchdünn das Tor. Kilia überstand auch die Nachspielzeit schadlos und feierte den nicht unverdienten Sieg ausgiebig. Der PSV verschlief die ersten zwanzig Minuten, agierte dann bis zur Pause auf Augenhöhe mit Kilia, verkrampfte aber nach dem Wechsel in Überzahl. Es fehlten die zündenden Ideen und die Durchschlagskraft, um zumindest noch einen Punkt zu retten.

„Wir sind immer wieder gut über die Flügel gekommen, aber uns fehlte die Boxbesetzung. Das Zentrum war immer wieder gut geschlossen. Dass so ein Freistoß mal durchrutscht, kann passieren, aber dann rennst du hinterher. Das Ergebnis ist nicht zu erklären und extrem bitter für uns. Ab der 25. Minute konnten wir das Spiel ausgeglichen gestalten und waren stabiler. Nach der 60. Minute war das ein anderes Spiel. Aus der Überzahl haben wir zu wenige Abschlüsse hinbekommen“, sagte PSV-Trainer Marco Frauenstein nach dem Spiel.

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