Im Jahr 1904 gründeten die westlich von Kiel gelegenen Dörfer Hassee und Winterbek, dem Trend der Zeit folgend, einen Turnverein: den TV Hassee-Winterbek.
Aus der Taufe gehoben wurde der Verein im schon lange nicht mehr existierenden Lokal „Wilhelmshöhe“ in der Hamburger Chaussee 80, gegenüber der heutigen Waldwiese. Dort wurde zunächst auch im Festsaal (siehe Postkarte) geturnt.
Ebenfalls geturnt wurde in der Anfangszeit in der Ausspanndiele des in der Rendsburger Landstraße gelegenen Lokals „Unter den Linden“. Von 1927 bis in die 1970er-Jahre diente diese Gaststätte auch als Vereinslokal. Im Jahr 2019 wurden die Gebäude nach einer wechselvollen Geschichte abgebrochen und das Gelände neu überbaut.
Das erste Vereinslokal des jungen Vereins war jedoch weder die „Wilhelmshöhe“ noch „Unter den Linden“, sondern in Dorf Hassee das „Café Ehmcke“ im schon städtisch geprägten Eckhaus Rendsburger Landstraße/Winterbeker Weg.
Aus Dorf wird Stadt, aber der THW löst sich fast auf
1910 erfolgte die Eingemeindung vieler Umlanddörfer, unter anderem auch von Hassee-Winterbek und Gaarden. Der THW wurde damit jedoch noch nicht zum THW Kiel, denn er existierte aufgrund diverser interner Streitigkeiten nach 1910 nur noch als Anhängsel im Kieler Turnverein (Abteilung Hassee im KTV).
Erst nach dem Zweiten Weltkrieg entwickelte sich der neu aufgestellte THW rasant. Gleichzeitig reichte vielen Sportbegeisterten das Turnen nach der Sitte des Turnvater Jahn allein nicht mehr aus. Der Fußball hatte längst seinen Siegeszug angetreten, und auch in die Turnwelt selbst kam Bewegung.
Handball: für Frauen erfunden, von Frauen zuerst gespielt
Am 29.10.1917 hatte der „Frauen- und Mädchenausschuss im Berliner Turnrat“ neue Regeln für das bereits unter Turnerinnen gebräuchliche „Torballspiel“ beschlossen. Dabei wurden bereits bekannte Elemente wie Schusskreis (vom Hockey) und die Mannschaftsstärke (vom Fußball) oder vom heute vergessenen Raffballspiel übernommen.
Der Frauenturnrat Max Heiser, der 1915/16 mit Turnerinnen aus diversen Berliner Vereinen das neue Spiel ausprobiert hatte, hatte damit den Handball erfunden.
Handball kommt nach Kiel : zuerst aber zum KMTV und zum KTV
Auch beim anderen, vermeintlich stärkeren Geschlecht kam der neue Sport gut an. Die Turnvereine in Kiel übernahmen dieses neue Spiel. Für den THW begann der Handball im Sommer 1923 mit einer männlichen Jugendmannschaft. Bereits am 29. Oktober 1923 fand das erste Spiel statt: Auswärts beim KMTV (wo dessen heute nicht mehr existenter Sportplatz lag, wird in einer späteren Folge untersucht). Es setzte eine 0:3-Niederlage. Der KMTV war überlegen, wurde dort doch – wie im KTV – bereits seit 1922 Handball gespielt.
Die Platzfrage führt zum Lehrerseminar an der Diesterwegstraße
Doch mit der Einführung des Handballspiels gab es für den THW ein großes Problem: Der Verein besaß keine adäquate Outdoorfläche. Glücklicherweise durfte man im angrenzenden Stadtteil Gaarden-Süd die Außenanlagen des 1912 errichteten Lehrerseminars (heute: Christliche Schule) nutzen. Noch im Jahr 1923 wurde auf dem Platz an der Diesterwegstraße das erste Heimspiel gegen den Kieler TB ausgetragen und mit 1:0 gewonnen.
Hinter dem Lehrerseminar an der Diesterwegstraße lag der erste Handballplatz des THW Kiel (umrandet). Hinten das Vieburger Gehölz und ein Teil der Fläche des ehemaligen Großen Exerzierplatzes. Im Vordergrund rechts die nur bis zur Einmündung Krusenrotter Weg ausgebaute Pestalozzistraße. Vorne links verläuft die Fröbelstraße. Ganz links in der Ecke ist das noch heute existente Haus gegenüber der Wulfsbrook-Einmündung in die Hamburger Chaussee zu sehen.
Alles war dort sehr improvisiert. Der Platz stand nicht immer zur Verfügung. Die Tore wurden mit Faustballstangen, Fahnenstangen und Faustball-Leinen markiert. Hinterher musste alles wieder abgebaut werden. Auf dem Luftbild von 1926 ist die intensive Nutzung des Platzes durch die kaum noch vorhandene Grasnarbe belegt.
Im Spieljahr 1925/26 meldete der THW bereits sieben Handballteams, darunter auch erstmals ein Frauenteam. Zwei Jahre später waren es bereits zwölf Teams.
Geburtsstunde der Zebras
Am 2. Januar 1927 wurde das älteste Bild einer THW-Mannschaft in den später berühmt gewordenen Zebra-Trikots vor dieser Kulisse aufgenommen.
Unterschrift: Die erste Handball-Spielstätte des THW hinter dem Lehrerseminar (heute Christliche Schule). Das Originalbild einer 1. Knabenmannschaft in Zebra-Trikots ist auf Seite 20 des Buchs „Die Zebras“ (Verlag Die Werkstatt, Göttingen 2014) abgebildet.
Diesterwegstraße: Nur eine kurze Übergangslösung 1923–1928
Der THW wuchs ungemein schnell. Der nicht immer zur Verfügung stehende Platz hinter dem Lehrerseminar reichte bei weitem nicht mehr aus. Es musste ein eigener Platz geschaffen werden. Bereits 1928 konnte dieser, komplett in Eigenleistung errichtete Platz am Wulfsbrook, bespielt werden. (Dieser wird in einer späteren Folge vorgestellt.) Die alte Spielstätte hatte ausgedient.
Was blieb?
Heute ist die erste Spielstätte des THW völlig in Vergessenheit geraten. Der Platz ist heute Teil des Schulhofs der Christlichen Schule, die das Gebäude des ehemaligen Lehrerseminars nutzt. Zwar ist der Schulhof allgemein zugänglich und mit einer Rasenfläche sowie attraktiven Spielplatzgeräten versehen, das Betreten ist jedoch für die Allgemeinheit nicht erlaubt.
THW is back: Sporthalle gleich um die Ecke
Allerdings ist der THW mit seinem Breitensportangebot seit einigen Jahren wieder fast vor Ort vertreten: Der Verein erwarb vor einiger Zeit die kleine Sporthalle in der Fröbelstraße, die fast direkt neben diesem ehemaligen Sportplatz liegt.