Zwei, die sich schätzen, und oft im Raum und Zeit auf der gleichen Position aufeinander trafen – Rezan Acer (li. Inter Türkspor Kiel) und Tom Warncke (Kilia Kiel). ©
„Da passiert ja nicht mehr viel“, sagte der Fotograf der Kieler Nachrichten und packte in der 85. Minute beim Stande von 3:1 für Kilia Kiel seine Ausrüstung, um zum nächsten Auftrag zu fahren. Zum Glück sollte der gute Mann, inzwischen am Ausgang angekommen, nicht Recht behalten. In den letzten Minuten sollte es noch ordentlich sprudeln an Spannung in diesem Stadtderby in der Oberliga Schleswig-Holstein, das das Team von Cheftrainer Nicolas Soranno wie im Hinspiel mit 4:3 gewann. Doch dazu später mehr.
Kilia happy über drei Punkte
Zunächst kann festgehalten werden, dass der Spitzenreiter sicherlich froh war, die drei Punkte, die verdient waren, gegen eine starke Mannschaft von Inter Türkspor Kiel zuhause zu behalten. Man weiß ja aus dem Hinspiel nur allzu genau, welche Dynamik in einem Lokalderby sich trotz sieben Plätzen Unterschied entwickeln kann. Insgesamt präsentierte die Begegnung ein hohes (taktisches) Niveau mit all den Facetten, die eine Partie zwischen zwei Mannschaften aus einer Stadt anbietet.
Elf von Nicola Soranno macht früh Ansprüche geltend
Die gute Eröffnung von Kilia in diesem Lokalderby setzte Inter Türkspor noch nicht in Zugzwang. Nach einem Flugkopfball, nicht platziert genug, von Rasmus Tobinski (6.), gelang es der Gäste-Elf, immer mehr und mehr die Ordnung zu finden. Beide Seiten wussten natürlich um die Stärken des Gegenüber. So kam es in der Partie sehr oft zu einem Duell zwischen Kilias Defensivkoordinator Tom Warncke und Inters Mittelfeldantreiber Rezan Acer. Außerhalb der Standardabweichung bei der Anzahl der Begegnungen dieser beiden Klassespieler. Wer war denn nun der Bewacher von wem? Die beiden Spieler, die sich aus gemeinsamen Zeiten bei Holstein Kiel II kennen, lieferten sich packende Zweikämpfe.
Inter Türkspor holt sich selbst ins Spiel zurück
Nach und nach nahm die Truppe von Liridon Imeri den Schwung der Kilianer mit, entwickelte vielversprechende und gefährliche Umschaltaktionen gegen die mit viel mehr Ballbesitz agierenden Gastgeber. Wie in der 18. Minute, als Acer in der eigenen Hälfte Warncke den Ball abluchst und mit einem Schnittstellenpass das 1:0 durch Kastriot Alija vorbereitet.
Erster Elfmeter für Kilia nicht koscher
Doch der Tabellenführer kommt schnell zurück. Nach einem Zweikampf, mit etwas Ziehen an der Schulter durch Rinol Lahu, kommt Benjamin Petrick im Strafraum zu Fall. Schiedsrichter Florian Lisiak steht gut und auf Ballhöhe und zeigt auf den Punkt. Einer von 50 Schiedsrichter entscheidet heutzutage im Fußballgeschäft bei solchen Fouls, die leider inzwischen als Normalität und somit ungeahndet eingestuft werden, zugunsten des Angreifers. Petrick knallt den folgenden Elfmeter humorlos halbhoch ein. Diese Szene sprüht noch mehr Öl ins Feuer. Die Emotionen erreichen kurz vor der Pause nach 5 gelben Karten und Rudelbildungen zwischendurch ihren Höhepunkt. Nachdem Grady Zinkondo (23.) für Inter das 2:1 verpasst und Keeper Nikolas Wulf und Krenar Svirca auf der Torlinie in der selben Szene gegen Kilias Rasmus Tobinski retten, gibt es wieder Elfmeter für die Platzherren.
Benjamin Petrick lässt Yannik Jakubowski ran
Nach einem Konter über Jan Matti Seidel, der auch defensiv gut mitarbeitete, kommt Petrick im Strafraum zum Torschuss, den Wulf abwehrt. Yasin Akbaba grätscht dem Kilianer Stürmer in dieser Szene in die Füße. Dieses Mal lässt der Gefoulte Yannik Jakubowski ran: Der Torjäger, der wieder zusammen dem starken Tom Wüllner in der Innenverteidigung eingesetzt wurde, verwandelt sicher den Strafstoß zur 2:1-Pausenführung.
Wüllner, Warncke und Co kontrollieren zweite Hälfte noch mehr
Das Soranno-Ensemble gestaltet die ersten 5 Minuten der zweiten 45 erneut sehr gefährlich. Inter Türkspor kommt aber schnell wieder auf Betriebstemperatur und kann den Favoriten lange Zeit vom eigenen Tor fernhalten. Kilia Kiel kontrolliert nun das Geschehen und arbeitet defensiv viel fokussierter. So verpuffen die Angriffe der Gäste schnell. Erst nach knapp 70 Minuten gibt es die nächste Möglichkeit. Und die sitzt. Kilia wehrt einen Freistoß in den Strafraum per Kopf ab. Anschließend verwertet Petrick den Ball sehr gut, passt ins Zentrum auf Warncke, der den links durchgestarteten Lars Horstinger bedient. Der Linksfuß schließt zur vermeintlichen Entscheidung ab, da in den folgenden Minuten wenig passiert.
Schmetterlingseffekt?
Bis der KN-Fotograf vielleicht den Schmetterlingseffekt auslöst. Alija gelingt mit einem sehenswerten Schuss der 2:3-Anschlusstreffer. Nun fließt wieder ordentlich Adrenalin bei allen. Auch bei Liridon Imeri. „Alle nach vorne“, lautet Imeris weit hörbarer Marschbefehl. Noch gar nicht im Kilia-Stadion sind die Worte verklungen, schlägt es im Kasten der Interisti zum vierten Mal ein. Die Kilianer hatten sich über die rechte Seite gut durchgespielt. Einen Rückpass von Luca Aouci verwertete Rasmus Tobinski per schönen Hackentrick zum 4:2.
Inter Türkspors gutem Kaffee fehlt der Kuchen
Doch der Kuchen ist noch nicht ganz verteilt in einer Partie zwischen zwei als homogene Mannschaft auftretenden Teams. Adesanya verkürzte mit einem Heber auf 3:4. Fast hätte Türkspor noch den halben Kuchen mitgenommen. Ein Freistoß von Rezan Acer wurde von einem Kilia-Spieler sehr gefährlich abgelenkt und senkte sich knapp über der Torlatte. Der anschließende Acer-Eckball mit dem direkten Ziel ins Tornetz landete gefährlich auf diesem. Danach war es für die Kilianer geschafft. In einem gutklassigen und schwierigen Spiel fährt der Aufsteiger, der auch die Bewerbungsunterlagen für den Aufstieg in die Regionalliga Nord abgegeben hat, verdient drei wichtige Punkte vor dem Match am kommenden Sonntag beim amtierenden Landesmeister und Tabellendritten SV Todesfelde ein. Inter Türkspor Kiel hat mit einer starken Performance erneut gezeigt, dass man an einem guten Tag mit den Spitzenteams mithalten kann.
Stimmen zum Spiel
FC Kilia Kiel – Inter Türkspor Kiel 4:3 (2:1)
FC Kilia Kiel: Kornath – Ramo, Wüllner, Jakubowski, Ayyildiz (64. Horstinger) – Warncke (76. Yazgan) – Petrick (72. Polonski), Seidel, Alt (90. Müller), Trepca (72. Aouci) – Tobinski.
Trainer: Nicola Soranno.
Inter Türkspor Kiel: Wulf – Lahu, Akbaba, Svirca, Haye – Zinkondo, Jeppe Waschko – Yildirimer (75. Baasch), Acer, Adesanya – Alija.
Trainer: Liridon Imeri.
Schiedsrichter: Florian Lisiak (SV Friedrichsort).
Assistenten: Luca Seils, Jannik Kindt.
Zuschauer: 410.
Tore: 0:1 Alija (18.), 1:1 Petrick (21., Foulelfmeter), 2:1 Jakubowski (44., Foulelfmeter), 3:1 Horstinger (70.), 3:2 Alija (88.), 4:2 Tobinski (89.), 4:3 (90./+1) Adesanya.