3:5 – Kaliber Hannover 96 II zu groß für Kilia Kiel bei Heimpremiere

von Ismail Yesilyurt

Malte Petersen (li., Kilia Kiel) im Laufduell mit Husseyn Chakroun (Hannover 96 II). © 2023 Ismail Yesilyurt


Wer zu spät kommt, den bestraft das Leben! Das hat mal ein berühmter Politiker gesagt. Nun, der liebe Mitmensch kennt sich im Fußball nicht aus. Die zweite Mannschaft von Hannover 96 lernt am Freitagnachmittag auf der Auswärtstour nach Kiel die Tücken des Hamburger Elbtunnels kennen. Aufgrund eines Staus kommt der Unterbau des Zweitligisten verspätet in Kiel an. Genau um 17:48 Uhr biegt der Bus mit dem 96-Tross, direkt dahinter der Verfasser dieser Zeilen, vom Kieler Westring in den Hasseldieksdammer ab, wo das Kilia-Stadion sich befindet. Somit kann die Anstoßzeit um 18:30 Uhr nicht eingehalten werden. Schließlich beginnt um 19 Uhr für Kilia Kiel ein neues Kapital in der Vereins-Geschichte: das erste Heimspiel überhaupt in der Regionalliga.

1.100 Zuschauer erzeugen tolle Atmosphäre

Eine erfolgreiche Premiere vor einer stattlichen Kulisse von 1.100 Zuschauer gelingt gegen den favorisierten Kontrahenten leider nicht. Mit 5:3 siegen die Gäste aus Niedersachsen. Verdient. Die 96er stellen schon beim ersten Kilia-Abstoß ihre Taktik vor: Pressing, Pressing und Pressing. Die Gastgeber werden schon am eigenen Strafraum zugestellt. Mit einem sehr flexiblen Positionsspiel, von außen ist das sich ständig ändernde System schwer einzuordnen, einem brutalen Gegenpressing und mit athletischen Vorteilen baut die Mannschaft von Daniel Stendel großen Druck auf. Auch mal mit 5 Spielern, die bei eigenem Ballbesitz auf den Füßen der Vierer-Abwehrkette von Kilia stehen.

Kilia Kiel macht bis zum 1:1 nicht viel verkehrt

Dennoch kämpft das Team von Nicola Soranno aufopferungsvoll dagegen an. Verteidigt mit viel Herz und lässt eigentlich nicht so viel zu. Und übersteht einige brenzlige Situationen (u. a. druckloser Drehschuss Sean Busch), einen Pfostentreffer vom im ersten Abschnitt guten Hayate Matsuda, der mit einer Linksflanke (16.) ungewollt die hintere Begrenzung des Tores trifft und ein Abseitstor von Sean Busch (16.).

Bis zum 1:1 macht Kilia Kiel Vieles richtig, auch wenn es schwerfällt, eigene Angriffe aufzubauen. Hannover ist schnell am Gegner, Ball und im Zweikampf. Mit cleveren und handlungsschnelleren Aktionen erobern die Gäste den Ball in wenigen Sekunden zurück.

Christopher Kramer schockt Hannover

Den ersten Aufschrei bei den Kieler Anhängern erzeugt Julius Alt (7.) mit einer Volleyabnahme, die aber weit das Ziel verfehlt. Aus heiterem Himmel jubeln die Kilia-Fans dennoch. Nach einer Flanke von Jan Matti Seidel in den Strafraum ist Hannovers Fynn Arkenberg nicht im Bilde. Mittelstürmer Christopher Kramer nimmt den Ball an und mit und sucht sich die linke Eck aus kurzer Entfernung zum 1:0 (30.) aus.

Prompte Antwort von 96 ist der Knackpunkt

Die fast prompte Antwort der Stendel-Elf ist der Knackpunkt für eine mögliche Kieler Überraschung. Einen Schuss von Lars Gindorf kann Keeper Tom Pachulski nur gegen den Pfosten lenken. Sean Busch reagiert am schnellsten und schießt den Abpraller aus 10 Metern zum Ausgleich ein. Drei Minuten später kommt Busch im Kilia-Strafraum zu Fall. Es erfolgt zurecht kein Pfiff. Doch während sich die Kilianer noch mit Busch beschäftigen, nimmt Eric Uhlmann den unkontrolliert aus dem Strafraum weg geschossenen Ball auf und bedient aus 30 Metern mit einem Flachpass Lars Gindorf an der Strafraumgrenze. Der Torjäger trifft anschließend zum 2:1 für den Dritten aus der Vorsaison. Abseitsrufe sind nutzlos, Tom Warncke hatte den im Strafraum liegenden Busch wegen einer Schwalbe angepflaumt und dadurch um Zehntelsekunden das Abseits aufgehoben.

Regionalliga bestraft Fehler

„In dieser Liga werden solche Fehler gnadenlos bestraft“, sagte der verletzte Yannik Jakubowski in der Halbzeitpause. Der als Torjäger und auch Innenverteidiger eingesetzte Leistungsträger wird in den kommenden Tagen wieder ins Training einsteigen.

Kilia mutiger – Hannover 96 weiterhin besser

Nach der Halbzeit wird das hohe Risiko von Gäste-Coach Daniel Stendel schnell belohnt. Husseyn Chakroun, der nach 20 Minuten die gelbe Karte erhält und bei dem sich anschließend etwas später an der Mittellinie vor den Trainerbänken nach zwei kleinen Fouls innerhalb kürzester Zeit ein Platzverweis anbahnt, ist der erste Hauptakteur beim Elfmeter. Nach einem Foul von Tom Wüllner an Chakroun entscheidet Schiedsrichter Kopmann, der bei den gelben Karten und 50-zu-50-Foulentscheidungen leicht zu Ungunsten der Kilianer tendierte, korrekterweise auf Elfmeter.

„Gut aufgepasst, ich wusste gar nicht, dass er schon gelb hatte“, sorgte Daniel Stendel für ein heiteres Lachen auf der Pressekonferenz konfrontiert mit einem möglichen Platzverweis für Chakroun, „mir ist ein Spieler lieber, der mehr riskiert als zu wenig.“

Tom Pachulski hält Elfer – Lars Gindorf trifft im Nachschuss

Den Strafstoß parierte Pachulski stark, doch der Ball fällt Gindorf wieder vor die Füße zum 3:1. Kilia Kiel ist in der zweiten Halbzeit offensiv etwas mutiger. Kramer (53., 57.) jeweils nach Flanke von Tom Baller schnuppert an seinem zweiten Treffer. 96-Keeper Toni Stahl muss nach einem Freistoß von Benjamin Petrick nachfassen vor Kramer.

Monju Momuluh und Husseyn Chakroun starke Flügelzange

Das 4:1 besorgt Monju Momuluh, der von rechts in den Strafraum marschiert und flach verwandelt. Der Lohn für einen trickreichen und flinken Akteur. Die Liga-Leihgabe setzt mit Flankenläufen starke Akzente und sorgt für viel Unruhe. Wie auch Chakroun als zweites Glied der Flügelzange.

Wie sich die Zukunft erfolgreicher gestalten lässt für den Neuling, zeigen die Tore Nummer zwei und drei für Kilia Kiel. Jeweils mit wenigen Kontakten nach schnellem Umschaltspiel trifft Petrick zum 2:4. Und Malte Petersen, der sein Tor selbst vorbereitet mit einer Balleroberung vor dem eigenen Strafraum zum 3:5. Zuvor hatte Chakroun nach einem schönen Spielzug uneigennützig auf den eingewechselten Nick Stepantsev zum 5:2 vorgelegt.

Die Kilinaer bleiben nach dem Spiel realistisch und selbstkritisch. Es wartet noch viel Arbeit für Trainer und Spieler, um dem klaren Ziel mit dem Klassenerhalt näher zu kommen. Die beiden großen Kaliber mit dem VfB Oldenburg (0:4) und Hannover 96 II haben gezeigt, woran gearbeitet werden muss.

Stimmen zum Spiel

Daniel Stendel (Cheftrainer Hannover 96 II)
Nicola Soranno (Cheftrainer Kilia Kiel)
Julius Alt (Kilia Kiel)

FC Kilia Kiel: Pachulski – Baller, Petersen, Wüllner (76. Harder), Ramo (69. Ayyildiz) – Schulz – Seidel, Alt (79. Trepca), Warncke (72. Aouci), Petrick – Kramer.
Trainer: Nicola Soranno.

Hannover 96 II: Stahl – Lührs, Babitsch, Matsuda (81. Luyeye-Nkula) – Uhlmann – Momuluh (86. Garlipp), Arkenberg, Podrimaj (68. Brandt), Chakroun (81. Popvic) – Gindorf, Busch (68. Stepantsev).
Trainer: Daniel Stendel.

Beste Spieler: Pachulski, Kramer – Uhlmann, Chakroun, Momuluh,

Schiedsrichter: Dominik Kopmann (Eintracht Norderstedt).
Assistenten: Ben Uhrig, André Becker.

Zuschauer: 1.100.

Bes. Vorkommnisse: Pachulski hält Elfmeter von Gindorf (49., Hannover).

Tore: 1:0 Kramer (30.), 1:1 Busch (35.), 1:2 Gindorf (38.), 1:3 Gindorf (49.), 1:4 Momuluh (60.), 2:4 Petrick (68.), 2:5 Stepantsev (71.), 3:5 Petersen (88.).

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