Ein schönes Geschenk für den scheidenden Coach Ralf Hartmann (2. v. r.) gab es von der FSG Saxonia. Foto: © LR
FSG Saxonia – VfR Neumünster 6:4 n.E. (1:1, 1:1)
Volksfeststimmung, fast Ausnahmezustand am Samstagnachmittag in Wankendorf! Im Dorf sind schon eine Stunde vor Beginn Parkplatzeinweiser tätig. Der Linienbus aus Neumünster ist voller VfR-Fans: Das Kreispokalfinale des KFV Holstein ist angerichtet!
Der Underdog Verbandsligist FSG Saxonia (Spielgemeinschaft aus TSV Wankendorf, Quellenhaupt Bornhöved und SV Schmalensee) empfängt den favorisierten Landesligisten Rasensport Neumünster.
Die Freiwillige Feuerwehr sorgt neben dem Sportheim und Bierstand für Verpflegung. Offiziell 403 zahlende Zuschauer, die tatsächliche Zahl durchaus höher (Freiwillige Feuerwehr, viele freiwillige Helfer, Vereinsjugend) sowie zunächst keine Kartenausgabe (!) bei Bezahlung der moderaten 4 Euro Eintritt für Vollzahler.
Insgesamt eine stimmungsvolle, spannungsgeladene Atmosphäre im herrlichen Jahn-Fußballstadion, die man im Amateurfußball leider nur noch selten erlebt! Überhaupt kein Vergleich z.B. mit dem Schulsportplatz-Ambiente des Kieler Endspiels am Mittwochabend in Bordesholm!
Zum Spiel: Beide Teams beginnen hochkonzentriert. Die erste Riesengelegenheit nach 4 Minuten für den VfR: Ein langer Ball auf Rechtsaußen Frieder Blunck, USA-Student auf Heimaturlaub, und der ist gleich frei vor FSG-Keeper Matthias Balzer, jagt den Ball aber drüber.
Auf der Gegenseite zieht nach Steilpass von Arne Duggen Sturmspitze Jan Olaf Muhs auf und davon und lässt Bennet Sparfeld im VfR-Tor keine Abwehrchance (6.). Der Außenseiter führt, das Stadion bebt!
Der VfR wirkt angeschlagen, läßt sich immer wieder von der aufgeheizten Stimmung anstecken. Doch die spielerische Klasse des VfR setzt sich durch. Besonders gefährlich wird es, wenn der VfR über rechts kommt. Ihab Hathat trifft nach innen dribbelnd nach Einzelleistung die Latte (17.), dann ist der Ausgleich fällig. Sturmspitze Vuk Vukelic macht halbrechts die Kugel fest, nimmt rechts Hathat mit, der zieht nach innen und legt flach auf Blunck zum 1:1 (22.).
Der VfR macht weiterhin das Spiel. Linksaußen Mika Hirsch (33.), der sich packende Duelle mit Tobias Jantzen liefert, scheiterte an Balzer. Vuk Vukelic, ansonsten meist an der Kette, hat nach Steckpaß von Marcel Stölting viel Zeit und ganz viel Platz vor Balzer (40.), scheitert aber ebenfalls am mal wieder über sich hinauswachsenden Keeper.
Der VfR hat ein Chancenplus, doch lässt er viel zu wenig den Ball laufen, nur bei wenigen Spielern zirkuliert der Ball sicher und direkt. Zu wenig, um die ständig den Körperkontakt suchenden Mentalitätsmonster der FSG dauerhaft einzuschnüren.
Nach der Pause wird es noch intensiver. Die FSG überrascht den VfR mit einem Blitzstart: Der körperlich überragende Sascha Reichow lässt einen 25-Meter-Knaller los, Sparfeld klärt zu Ecke. Diese wird herausgeköpft. doch Tim Wedemeiers Nachschuss gerät zum Querschläger, den Arne Duggen am langen Pfosten verwandelt (47.). Doch zum Glück für den VfR entscheidet der Assistent auf Abseits.
Dann demonstriert der VfR auch mal seine Klasse. Marcel Stölting, gerade genesen wieder in der Startelf, schickt mit Ansagen Rechtsverteidiger Christoph Kahlcke auf die Reise. Der lässt Nikolai Steffen aussteigen, dringt in den Strafraum ein, legt auf Blunck ab, der am langen Pfosten den völlig freien Hirsch anspielt. Dieser verfehlt jedoch aus wenigen Metern das leere Tor (49.). Wenig später steckt Hathat auf Vukelic durch, der jedoch wieder völlig frei an Balzer scheitert, der auch den Nachschuss von Hirsch aus Nahdistanz pariert. FSG-Trainer Ralf Hartmann in seinem letzten Spiel als FSG-Trainer (mit 199 Liga-Einsätzen für den VfR) erlöst den völlig platten Steffen und bringt Nicolas Wittstock.
Das Spiel wird immer körperbetonter. Als Reichow ohne jede Absicht den Ball zu spielen an der Auslinie Kahlcke checkt (68.) und der krachend in die Werbeband fliegt, muss es eigentlich rot geben. Selbst im Eishockey wäre das eine Zeitstrafe gewesen. Doch Schiri Otto belässt es bei gelb. Für Kahlcke war das nach Spielschluss in Ordnung: „So schlimm war das nun auch nicht. Ich habe gesehen, wie er angerauscht kommt und konnte mich abducken.“ Auch Kahlcke, meist als Verteidiger ohne eigenes Foulspiel auskommend, sieht in der hektischen Schlußphase noch gelb: nach zwei Jahren seine allererste beim VfR.
Auch die anschließende Rudelbildung nach dem Bandencrash bleibt für alle Beteiligten erstaunlicherweise ohne Folgen. Beim VfR kommt Kapitän Dustin Christohersen, bei fast jeder Kopfballaktion unfair angegangen, nach einer Kurzschlussreaktion gegen Muhs (Schubser) auch mit Gelb davon.
Der VfR hat nun immer mehr Ballbesitz, wird aber gleichzeitig immer ungefährlicher. Spielgestalter Hathat hat sich mit viel zu vielen Einzelaktionen aufgerieben und taucht mehr und mehr ab. Mit der Einwechselung von Belal Quraeshi kommt zwar Beweglichkeit und Schnelligkeit, aber keine Durchschlagskraft. Nach der Auswechselung der Außenbahnspieler Blunck und Hirsch wird es mit der Durchschlagskraft nicht besser, im Gegenteil. Nur der eingewechselte Henrik Wehde hat noch einen Riesen auf dem Fuß. Er tankt sich zentral durch, ist frei, sein Abschluß aber viel zu zentral.
Kurz vorher war VfR-U19-Akteur Kevin Kulka mit rustikalem Einsatz im16er gestoppt worden, aber in diesem Spiel war die Latte der strafbewehrten Fouls sowieso recht hoch angelegt, somit rechneten selbst die VfR-Fans nicht wirklich mit Strafstoß.
So geht es in die Verlängerung. Die FSG zieht sich komplett zurück, verlegt sich aufs Kontern. Und kann damit alles klar machen: Nach 104 Minuten geht Muhs an der linken Außenbahn am starken Geart Latifi vorbei, die Flanke erreicht Duggen, der aus Nahdistanz per Kopf an Sparfeld scheitert. Und Muhs schießt in der 118. Minute fast aus der eigenen Hälfte, Sparfeld steht weit vor seinem Kasten. Der Ball geht um Milimeter vorbei.
Der VfR wirkt in der Verlängerung ratlos. Körperlich ist man dem selbst völlig ausgepumpten Gegner im gegnerischen Strafraum völlig unterlegen. Kein Kopfballgewinn, viel zu hektisch, jedes Dribbling aussichtslos. Die FSG gebraucht einzig und allein das Mittel der (meist) erlaubten Körperlichkeit, um den VfR zu stoppen. Bezeichnend: Die letzte Ecke des Spiels (123.) schießt der VfR hinters Tor.
Also muss das Elfmeterschießen entscheiden. Und auch hier hat das Spiel noch ein Bonmot: Alle angetretenen Spieler treffen, nur Finn Block (VfR) scheitert an Balzer. Ausgerechnet Block! Er war vor 4 Jahren vom TSV Wankendorf zum VfR gewechselt und kehrt zur neuen Saison zur FSG zurück.
FSG Saxonia: Balzer – Steffen (53. Wittstock), Griese, Mester, Jantzen – Wedemeyer, Reichow – Laizer (112. Dose), Duggen, Schiffer – Muhs.
Trainer: Ralf Hartmann.
VfR Neumünster: Sparfeld – Kahlcke, Latifi, Christophersen, Nasri – Stölting (61. Stoltenberg), Block – Blunck (77. Kulka), Hathat, Hirsch (77. Wehde) – Vukelic (62. Quraeshi (110. Bouzoumita)).
Trainer: Abdulselam Yilmaz.
Schiedsrichter: Thorsten Otto (VfL Schwartbuck). Assistenten: Luca Maximillian Hellriegel, Jannes Kagerah.
Hatten keinen einfachen Job, erledigten den aber mehr als ordentlich.
Zuschauer: ca. 500 (403 zahlende).
Tore: 1:0 (6.) Muhs, 1:1 (22.) Blunck.
Elfmeterschießen: 1:0 Muhs, 1:1 Wehde, 2:1 Jantzen, Block scheitert an Balzer, 3:1 Griese, 3:2 Stoltenberg, 4:2 Duggen, 4:3 Christophersen, 5:3 Mester.
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