Kevin Schulz (VfR Neumünster) versucht Kevin Knott (1. FC Phönix Lübeck II) den Ball abzujagen. © 2025 Olaf Wegerich
Bei besten frühherbstlichen Bedingungen empfingen die gut in die Saison gestarteten Rasensportler in der heimischen Grümmi-Arena die Zweitvertretung des ältesten Fußballvereins Lübecks, den 1903 als Lübecker Ballspiel-Club gegründeten starken Aufsteiger Phönix.
Bei den Adlerträgern dürfen/müssen einige Spieler des Regionalligakaders auch in der Oberliga Spielpraxis sammeln. Deshalb ist das Team auch in personeller Hinsicht eine Wundertüte. Ein Wiedersehen gab es für die Neumünsteraner mit Radovan Karaman, der in der letzten Rückrunde für die Veilchen auflief, sowie mit Murat Rasgele, der die letzten beiden Spielzeiten Lila-Weiß trug.
Derek Cornelius im Fokus
Bei den Fans der Elf von Danny Cornelius stand unter der Woche der Namensvetter des Trainers, der ehemalige VfR-Spieler Derek, im Blickpunkt. Hatte er doch mit einem wunderschönen Freistoß die Nationalelf Kanadas zum Sieg in Wales geschossen. Außerdem, das freut den VfR-Vorstand, spült der aktuelle Vereinswechsel von Derek auch etwas Geld in die Kasse seines Ex-Vereins.
VfR wieder ohne Christoph Kahlcke, aber mit Kenny Korup
Erneut musste Danny Cornelius auf seinen Defensivspieler Christoph Kahlcke (nach überstandener Bänderdehnung jetzt krank) verzichten. Er verfolgte das Spiel zusammen mit den PSV- (und Ex-VfR-) Spielern Geart Latifi und Fyn Claasen in Zivil. Das war aber auch der einzige VfR-Ausfall eines Startelfkandidaten. Kapitän Kenny Korup war dagegen schon wieder an Bord. Fast Bestbesetzung also.
VfR mit nur anderthalb Spitzen
Etwas überraschend ließ das VfR-Trainerteam Danny Cornelius/Patrick Amponsah/Marcel Vones im Gegensatz zu den bisherigen Spielen mit nur einer echten Spitze (Kastriot Alija) agieren. Bei Gelegenheit unterstützte Visar Mehmeti. Der sonstige zweite Stoßstürmer Ola Adesanya agierte auf der linken Außenbahn, belastet mit taktischen Zwängen und defensiven Aufgaben. Seiner Offensivstärke sichtlich abträglich, konnte er nach vorne keine Akzente setzen. Zuletzt hatte das in der Vorsaison Ex-Trainer Liridon Imeri ebenfalls erfolglos probiert.
Hohes spielerisches Niveau
Von Beginn an lieferten sich beide Teams zunächst ein spielerisch starkes Duell auf Augenhöhe. Nach einer Viertelstunde hatte dann Phönix etwas mehr Ballbesitz. Beide Teams neutralisierten sich weitgehend, Torchancen gab es kaum.

Umstritten und aus dem Nichts: Die VfR-1:0-Führung
Als der starke, umtriebige Phönix-Spielgestalter Vladyslav Kraiev 20 Meter vor dem VfR-Tor nach hartem Tackling von Kevin Schulz vom Ball getrennt wird, hat wohl das ganze Stadion einen Freistoß für Phönix gesehen. Nicht aber das Schiedsrichtergespann, das weiterlaufen ließ. Schulz schlug einen Steilpass auf den schnellen Kastriot Alija. Die Phönix-Defensive war ob des nicht gegebenen Freistoßes noch konsterniert und unkonzentriert. Alija war frei durch und traf (28.). Wütende Proteste von Phönix. Nicht die einzige Szene, in der sich die Referees Kritik ausgesetzt sahen. Die VfR-Bank monierte noch vor der Pause die ungleiche Kartenverteilung zu Lasten des VfR, die die Anzahl und Härte der Fouls kaum widerspiegelte.
Kurz vor und kurz nach der Pause: Die beste Phase des VfR
Danach hatten wieder die Adlerträger mehr vom Spiel, aber die starke VfR-Defensive stand gut. Lediglich ein 20-Meter-Abschluss (knapp daneben) brachte das VfR-Tor von Christopher Newe in Gefahr. Kurz vor der Pause ein hartes Einsteigen von Kevin Knott gegen Ilir Serifi. Den Freistoß von Serifi aus spitzem Winkel faustete Vladyslav Galytsky mit etwas Glück über das Tor – die Kugel wäre ihm fast über die Fäuste gerutscht.

Nach der Pause kam Rasensport stark aus der Kabine. Serifi (47.) scheiterte knapp an Galytsky. Nach herrlichem Doppelpass zwischen Serifi und Alija war Letzterer plötzlich frei, wurde von Karaman bedrängt, ging noch an Galytsky vorbei, schob aber aus spitzem Winkel am Tor vorbei (53.).
Phönix mit breiter Bank
Nach 54 Minuten entschied sich Phönix-Trainer Mekan Barlak zum Doppelwechsel. Der letztjährige Todesfelder Julius Kliti und Christen Frederik Mensah kamen. Außerdem gab es taktische Umstellungen. Das wirkte sofort, ab jetzt war Phönix besser im Spiel, zunächst jedoch weiter noch ohne große Torchancen. Aber hinten brannte nun gar nichts mehr an.
Umstritten und aus dem Nichts: Der Phönix-Ausgleich zum 1:1
Als VfR-Linksverteidiger Jan Lippegaus im Vorwärtsgang hart attackiert liegen blieb, forderte der VfR vehement Freistoß. Doch Schiri Romahn ließ wie beim 1:0 weiterspielen. Aus diesem Angriff – Lippegaus lag weiterhin verletzt am Boden und musste anschließend gegen den etatmäßigen Rechtsverteidiger Nick Neca ausgewechselt werden – resultierte im dritten Versuch schließlich der Ausgleich durch Kraiev (64.). Spätestens jetzt waren Hektik und verbale Wortgefechte unter den Trainerbänken an der Tagesordnung.
Rasensport wankt …
Mit dem Ausscheiden von Lippegaus, einer entscheidenden defensiven Säule, begann der VfR gegen die mit jeder Einwechslung immer stärker werdenden Gäste zu wanken. Erst recht, als der gelb-rot-gefährdete Schulz, ebenfalls eine tragende Säule im VfR-Kartenhaus, auch ausgewechselt wurde (75.). Der VfR geriet nun böse ins Schwimmen …

… und bricht zusammen
Unter dem stärker werdenden Gästedruck machte die bislang defensiv so souveräne Heimelf zunehmend Fehler. Mensah zog gleich zwei Elfmeter für die Gäste, beide aus VfR-Sicht absolut vermeidbar (83., 89.). Cornelius hatte nochmal alles versucht, nach dem Rückstand für den bis dahin guten IV Jonas Schomaker Stürmer Christopher Kramer (84.) gebracht. Nun war die Veilchen-Restverteidigung aber komplett überfordert. Mensah erzielte in der Nachspielzeit nach einem schnell ausgeführten Freistoß noch das 1:4 (90.+4), nachdem er zwei Minuten vorher schon an Newe vorbei den Ball jedoch am Tor vorbeigesetzt hatte.
Fazit: Die U23 des Phönix ist fußballerisch eine absolute Bereicherung der Oberliga. Beim VfR wird deutlich, dass selbst das Fehlen von nur zwei bis drei defensiv orientierten Stammkräften kaum noch aufzufangen ist. Fallen bestimmte Spieler aus, bricht das Team ein. Was gegen Heide beim 2:1 (damals fehlten Korup und Kahlcke) gerade noch einmal gutging, hat heute – wie beim Pokal-Aus in Wasbek – nicht mehr funktioniert. Zwei bis drei weitere erfahrene, flexibel einsetzbare Oberligakicker würden dem Kader gut zu Gesicht stehen.
VfR Neumünster: Newe – Korup, Schilling, Schomaker (84. Kramer), Lippegaus (66. Neca) – Freitag, Schulz (75. Marquardt) – Mehmeti (70. Akcicek), Serifi, Adesanya – Alija.
Trainer: Danny Cornelius.
1. FC Phönix Lübeck II: Galytsky – Hartwig, Karaman, Knott (54. Kliti), Simsek – Kraiev – Grobauer, Seibt (66. Rasgele), Jablonski, Andrikopoulos (54. Mensah) – Bamba (79. Ofusu).
Trainer: Mekan Barlak.
Schiedsrichter: Jannik Romahn (SV Hemmingstedt).
Assistenten: Simon Schmeling, Tom Braun.
Zuschauer: 277.
Tore: 1:0 (28.) Alija, 1:1 (64.) Kraiev, 1:2 (83., Foulelfmeter) Ofusu, 1:3 (89., Foulelfmeter) Kliti, 1:4 (90.+4) Mensah.