Mats Hinrichs kennt sich in der Oberliga bestens aus

von Olaf Wegerich

Mats Hinrichs in Action für den TSV Kropp. © 2016 Ismail Yesilyurt


Mats Hinrichs hat in der Fußballwelt der höchsten Landesklasse in Schleswig-Holstein schon viel gesehen und erlebt. Der 33-jährige Keeper beantwortete ausführlich Fragen von Youckick-Redakteur Olaf Wegerich.

Wann und wie bist du zum Fußball gekommen?
Ich erinnere mich noch daran, dass ich als kleiner Junge immer großes Interesse daran hatte, Bälle zu schießen und zu werfen, sei es zu Hause mit meinen Eltern, auf Familienfeiern mit meinen Onkels und Cousins oder mit Freunden bei Verabredungen. Bälle haben sofort einen auffordernden Charakter für Kinder und sorgten auch bei mir dafür, dass du dich als Kind damit beschäftigen und ausprobieren willst. Mein damaliger Nachbar, Werner Höfs, aus meinem Heimatdorf war zu jener Zeit Vorsitzender vom FC Schwarz-Weiß St. Michaelisdonn und rief mir immer über den Zaun herüber zu, dass ich einmal zum Training vorbeikommen sollte, um mir das Fußballtraining im Verein anzuschauen. So kam es also, dass mir meine Mutter meine ersten Adidas Fußballschuhe gekauft hat, um zum Training in St. Michaelisdonn zu gehen. Ich weiß in diesem Zusammenhang noch genau, dass ich es damals als Kind nicht verstehen konnte, dass man seine Fußballschuhe nicht auf der Straße oder auf Pflastersteinen, sondern nur auf dem Rasen tragen sollte/durfte, damit sie nicht kaputt gehen. Ich fand sie so besonders und faszinierend, dass ich sie immer tragen wollte.

Wie ist es dazu gekommen, dass du Torhüter geworden bist?
Am liebsten habe ich zu Beginn immer mit meinem Vater im Garten Fußball gespielt. Ich weiß zwar nicht mehr warum, aber es hat sich so ergeben, dass ich mich vor die große Hecke im Garten gestellt habe, die das Tor dargestellt hat, und lieber die geschossenen Bälle von meinem Vater gehalten habe. Womöglich lag es aber auch daran, dass mein Vater keine Lust hatte, sich im Garten den Bällen hinterherzuwerfen und es somit die logische Konsequenz war, dass ich ins Tor musste, wenn ich mit ihm Fußball spielen wollte. Letztlich hat es mir große Freude und Spaß bereitet, die harten Schüsse meines Vaters an den Händen zu spüren und mich wiederum angespornt, wenn ich die Bälle aus dem Tor (der Hecke) herausholen musste, wenn ich einen Ball mal nicht parieren konnte.

Welcher Torhüter hat dich am meisten inspiriert und weshalb bewunderst du ihn?
In meiner Jugend gab es drei Torhüter, zu denen ich aufgeblickt habe. Zuerst war das Andy Köpke, der 1996 und 1998 Torhüter der Nationalmannschaft war. Jedes fußballbegeisterte Kind kennt den Nationaltorwart seines Landes. Ebenfalls bewunderte ich als Jugendlicher Frank Rost, damaliger HSV-Torwart, und Oliver Kahn. Frank Rost war für mich eine Erscheinung und strahlte eine besondere Aura aus, als er mit seinen riesigen Reusch-Handschuhen und seinem kurzen Torwarttrikot selbst bei starkem Schneetreiben und Minusgraden im Tor stand, so als wolle er damit ausdrücken, dass er eine Maschine sei und ihn nichts aus der Ruhe bringen könne. Oliver Kahn hat mich aufgrund seines Ehrgeizes, seines Siegeswillens und seiner absoluten Leidenschaft, jeden Ball halten zu wollen, beeindruckt. Sportlich war Oliver Kahn ein Paradebeispiel für mich, dass man mit eisernem Willen und Disziplin Herausforderungen annehmen muss, so wie sie kommen, um diese zu meistern und um erfolgreich zu sein! Emotional bzw. verbal waren Oliver Kahn und Frank Rost Torhüter, die Anführer waren, kein Blatt vor den Mund nahmen und ausgesprochen haben, was sie dachten. Diese Attribute waren für mich maßgeblich und mir war klar, dass ich von den Werten und der Einstellung, die ich vertrete und verkörpere, auch so sein wollte.

Mats Hinrichs fängt den Ball (SV Frisia Risum-Lindholm). © 2023 Ismail Yesilyurt
Mats Hinrichs fängt den Ball (SV Frisia Risum-Lindholm). © 2023 Ismail Yesilyurt

Du bereitest dich sehr akribisch auf die Spiele vor. Wie sieht deine Vorbereitung im Detail aus?
Im Laufe der Jahre habe ich mir etliche Notizen über Spieler gemacht, denen ich immer mal wieder auf dem Fußballplatz begegnet bin. Zusätzlich studiere ich auch ab und zu mal die Kanäle der Vereine in den sozialen Netzwerken, um gewisse Informationen zu erhalten, um dann wiederum in den entscheidenden Momenten abliefern zu können. Sagen wir mal so, ohne das Geheimrezept jetzt gänzlich verraten zu wollen: Ich gehe mit offenen Augen durch die Spiele und merke bzw. verschriftliche mir grundlegende Informationen zu auffälligen Offensivspielern, auf die ich immer wieder in den Spielen in der Oberliga oder im Landespokal getroffen bin. Zusätzlich konnte ich mir über die Jahre ein kleines Netzwerk aufbauen, durch das ich Informationen von anderen Sportplätzen über Spielsituationen erhalte.

Du bist bei acht Vereinen in SH gewesen, wo und wann war es am schönsten für dich?
Am liebsten erinnere ich mich an die Zeit beim Heider SV, den TSV Kropp und Weiche Flensburg II zurück.

Der Heider SV ist der beste Verein meiner Region. Jeder talentierte und ambitionierte Jugendspieler hat einmal das Ziel, an der Meldorfer Straße in diesem besonderen Stadion zu spielen. Beide Zeiten beim Heider SV waren besonders und ich halte Großteile von ihr in bester Erinnerung. Mit 20 bereits die Nummer 1 beim kleinen HSV zu sein, hat mich mit Stolz erfüllt. In so einem jungen Alter mit Recken wie Oliver Holst, Marcell Voß und Henning Jarchow zu spielen, war eine andere Welt, die ich bisher so nicht kennengelernt hatte. In jedem Training wurden Zweikämpfe so hart geführt, als wenn es bereits dort um 3 Punkte gehen würde. So etwas gibt es heute gar nicht mehr, daher sind das tolle und besondere Erinnerungen.

Beim TSV Kropp fand ich die charakterlich beste Mannschaft vor, in der ich je gespielt habe. Dirk Asmussen, Jörg Förster und Stephan Asmussen hatten ein Talent dafür, gute Fußballer mit einem großartigen Charakter auszuwählen, um ein richtiges Team zu formen. Diesen Zusammenhalt, den ich dort verspürt und wahrgenommen habe, habe ich in der Form nicht noch einmal erleben dürfen. In dieser Mannschaft mochte ich jeden. Zusätzlich hatten wir mit Dirk Asmussen als Trainer und Martin Schmidt als sein Co-Trainer ein gutes Duo, das mit allen Wassern gewaschen war. Dirk wirkte zunächst unnahbar, aber er hat sich als absoluter Menschenkenner herausgestellt, mit dem man sich offen und ehrlich austauschen konnte. Besonders habe ich an ihm geschätzt, dass er das Rückgrat besaß, einem Spieler Dinge ohne große Umschweife ins Gesicht zu sagen, statt der Kommunikation aus dem Weg zu gehen, denn das ist auch eine Fähigkeit, die ein guter Trainer meiner Meinung nach beherrschen muss. Auch heute tausche ich mich mit ihm noch regelmäßig aus, um einen fußballerischen Rat zu erhalten. Des Weiteren hatten wir damals auch einen Fan-Club, der uns mit großen Fahnen, Bannern und ihrer lautstarken Leidenschaft anfeuerte. Eine besondere Anekdote ist, dass die Kropper Supporters meiner Frau zu jedem Heimspiel einen eigenen Platz auf der Tribüne herrichteten, sodass sie sich auch willkommen fühlte. Schade, dass wir im zweiten Jahr im Rahmen der Oberligareform, die 5 oder 6 Absteiger forderte, abgestiegen sind. Rückblickend hätte ich ein Jahr Landesliga in Kauf nehmen sollen, um dort weiterhin spielen zu können, weil ich mich dort sehr wohlfühlte.

Marvin Wolf mit Mats Hinrichs nach einem Sieg (Heider SV) © 2023 Olaf Wegerich
Marvin Wolf mit Mats Hinrichs (Heider SV) nach einem Sieg © 2023 Olaf Wegerich

Die Zeit beim SC Weiche Flensburg ist ebenfalls eine Zeit, auf die ich gerne zurückblicke, weil ich dort mit Spielern zusammengespielt habe, deren Qualität ich bis dato nur als Gegner erlebt habe und in Spielen gegen sie diverse Male den Ball aus dem Netz holen musste: Sebastian Kiesbye, Marcel Cornils, Karli Melfsen, Nico Holtze, Kim Nitschke, Brian Jungjohann und Martin Pitter sind einige, um ein paar Namen zu nennen. Das Training des damaligen Trainers Thomas Seeliger war jedes Mal fordernd aber gleichzeitig auch spaßig. Torschusswettbewerbe und ständig abwechselnde Spielformen säumten unser Training, was den Fokus immer hochhielt. Er war geradlinig und man wusste stets, woran man bei ihm ist.

Wo hattest du den größten Erfolg und wo lief es überhaupt nicht?
Zwischenmenschlichen Erfolg hatte ich letztlich bei jedem Verein. Während der gesamten Zeit habe ich viele Menschen kennengelernt und aus sehr vielen Mitspielern der vergangenen Jahre haben sich diverse Freundschaften entwickelt, die bis heute anhalten.

Die größten sportlichen Erfolge hatte ich beim Heider SV und beim TSV Kropp. Für den HSV habe ich die meisten Spiele meiner Laufbahn absolviert, war mit 20 bereits die Nummer 1, konnte gegen den Hamburger SV sowie den FC St. Pauli im Rahmen der Sommervorbereitung spielen und mich mit Profis messen, durfte Spiele gegen TuRa Meldorf vor einer vierstelligen Kulisse bestreiten und habe mit den jeweiligen Mitspielern immer den Kreispokal gewonnen, der uns einen Landespokalstartplatz garantiert hat. Highlightspiele waren Duelle mit Weiche oder mit dem VfB Lübeck, bei dem wir einmal vor knapp 2000 Zuschauern auf der Lohmühle spielten. Für Kropp konnte ich 56 von 68 möglichen Spielen absolvieren, wenngleich wir dort leider nie im Landespokal starten durften.

Beim TSB Flensburg und beim Husumer SV lief es hingegen gar nicht. Beim TSB Flensburg habe ich mich zu Beginn der Vorbereitung verletzt und es fiel mir als Sommerneuzugang schwer, mich dann nach meiner Rückkehr nach 3 Monaten in die bereits gefestigte Mannschaft zu integrieren und zu akzeptieren, nicht gebraucht zu werden.

Beim Husumer SV war zum einen Corona ein Grund, warum es sportlich in den ca. 10 Spielen in den anderthalb Jahren, die auf dem Spielplan standen und stattfanden, nicht so recht funktionieren wollte. Zum anderen hatte ich mein Herz zu sehr auf der Zunge, sodass ich mit dem Trainer zu Beginn gleich verbal aneinandergeraten bin, was rückwirkend betrachtet eher ein nicht ganz so cleveres Unterfangen war und somit meine Einsatzchancen massiv schmälerte.

Gab es auch mal Angebote von höherklassigen Vereinen oder außerhalb von SH?
Nein, dazu ist es in beiden Fällen nie gekommen.

Du hattest beim Heider SV ja mehrere Trainer erlebt, was ist da für dich positiv und negativ in Erinnerung geblieben?
Thomas Möller ist mir als Trainer beim HSV absolut positiv in Erinnerung geblieben. Als er Trainer beim Heider SV wurde, war ich vom Vorgänger für ein Dutzend Spiele auf die Bank verfrachtet bzw. in die zweite Mannschaft versetzt worden, die Mannschaft war kein Team mehr und wir waren auf dem 18. Tabellenplatz. Mit ihm haben wir eine furiose Rückrunde gespielt, die uns am Ende auf Platz 7 einlaufen ließ. Er hat aus einer verunsicherten Mannschaft ein stabiles Team erzeugt. Thomas hatte das Gespür, von jedem Spieler die Stärken optimal einzusetzen. Er hat uns eine klare, einfache Struktur an die Hand gegeben, mit der wir dann den Arbeitstag angegangen sind. Hoch und weit hinten raus auf Ladendorf, Kopfballverlängerung auf Tobi Hass, von ihm ein Sprint gegen den Verteidiger und dann entweder ein Tor oder aufgrund eines Fouls einen 11m für uns. Wir haben möglicherweise keinen schönen Fußball gespielt, dafür aber einen erfolgreichen und einfachen.

Mats Hinrichs (Heider SV) wird von Co-Trainer Torben Steffensen behandelt.  © 2024 Olaf Wegerich
Mats Hinrichs (Heider SV) wird von Co-Trainer Torben Steffensen behandelt. © 2024 Olaf Wegerich

Die Saison 23/24 wird mir ebenfalls sehr positiv im Gedächtnis bleiben. Nach einer so langen Zeit noch einmal in meine Heimat zurückzukehren und Teil einer so guten Mannschaft zu sein, ist ganz besonders. Rückblickend wäre sicherlich mehr als Platz 5 möglich gewesen, wenn wir zu Beginn der Saison nicht eine 8 Spiele anhaltende Schwächeperiode gehabt hätten. Nach dem wir diese überwunden und das richtige System für unserer Team gefunden hatten, waren wir erfolgreich und für Gegner sehr unangenehm zu bespielen. Menschlich und fußballerisch konnte ich mich in dieser Zeit durch meine Mitspieler noch einmal weiterentwickeln. Auf dem Platz und in der Kabine hat es immer gut harmoniert, was auch ein Grund dafür war, dass ich mich wohlfühlte und somit Leistung zeigen konnte.

Besonders negativ in Erinnerung bleiben wird mir definitiv die jetzige Situation der Saison 24/25 mit dem derzeitigen Cheftrainer und meiner damit verbundenen sportlichen Position. Meine eigentlich schöne Zeit beim Heider SV hat ein abruptes Ende gefunden, welches ich mir so vor noch wenigen Wochen nicht hätte vorstellen können. Fehlende Kommunikation, keine Transparenz in der Entscheidungsfindung, entzogenes Vertrauen und mangelnde Wertschätzung sind nur einige Attribute, die mir dazu in diesem Zusammenhang einfallen.

Du hast mehrfach klar zum Ausdruck gebracht, dass für dich als gebürtiger Heider Jung der Heider SV dein Herzensverein ist, bei dem du immer gern hast spielen wollen. Was macht den Verein außer deiner Heimatverbundenheit so besonders?
Ein Sponsor hat einmal gesagt, dass der Heider SV ein schlafender Riese ist. Damit war gemeint, dass der Verein über sehr viel Potenzial sowie Möglichkeiten verfügt und gleichzeitig von vielen Interessierten auch über die Grenzen von Dithmarschen hinaus verfolgt wird. Der Verein wird mit viel Herzblut in den jeweiligen Bereichen geführt, zieht einfach Zuschauer an und steht in einem gewissen öffentlichen Interesse. Ich könnte jetzt neben Andreas Meyenburg und Hannes Nissen, die viel Zeit und viel Leidenschaft in den Verein und die Ligamannschaft investieren, so viele Personen benennen, die sich engagieren und einen guten Job machen, um zum Erfolg und zum Ansehen beizutragen: Ordner, Stadionsprecher, Reinigungskräfte, Betreuer, Jugendtrainer, Trainer der U23, Platzwart, Fotografen, die die Spiele in Bildern festhalten, etc. – alle machen das neben ihrem eigentlich Hauptberuf für eine gewisse Aufwandsentschädigung, aber hauptsächlich aus Sympathie zum Verein. Die Arbeit unseres Zeugwarts Hanko Schwarz ist mehr als Oberliganiveau. Besonders ein Mann, der Steuerberater ist und eine eigene Kanzlei in Heide führt, hat mich zuletzt sehr beeindruckt, weil er sich nach Feierabend nicht zu schade war, seinen Anzug gegen Arbeitskleidung auszutauschen, um unsere Wasserzapfanlage zu reparieren. Als Spieler wünschst du dir natürlich, dass es Menschen interessiert, wenn du Fußball spielst und diese Menschen dann zahlreich ins Stadion kommen und emotional mitfühlen. Ich finde, es spricht für sich, dass der Heider SV jede Saison die meisten Zuschauer in der Oberliga hat. Zusätzlich hat der Verein mittlerweile 2 Fan Clubs, die sich engagieren und uns anfeuern. Mir hat es immer ein besonderes Gefühl gegeben, wenn wir die Zuschauer emotional erreicht haben und die HA ES VAU – Rufe von der sonst eher kritischen und ruhigeren Tribüne zu hören sind. Des Weiteren macht es den Heider SV besonders, dass man unter der Woche oder am Wochenende Fans und Sympathisanten in der Stadt trifft und mit ihnen über die vergangenen Spiele fachsimpelt und sich austauscht.

Du kannst nun die Erfahrung von über 200 Oberligaspielen vorweisen und spielst seit 13 Jahren in der höchsten Landesklasse. Vor kurzem hast du von Markus Wichmann, deinem Trainer beim Heider SV, erfahren,dass Calvin Schultz die neue Nummer Eins bis zur Winterpause ist. Wie gehst du damit um und wie bewertest du das?
Wenn ich sagen würde, dass dies spurlos an mir vorbeigegangen ist, dann wäre dies nicht wahr. Ich musste diese Mitteilung zunächst einmal verarbeiten und darüber nachdenken. Nach 14 Monaten als Nummer 1 und einer wirklich sehr guten Saison 23/24 und einer zusätzlich sehr guten Vorbereitung, verbunden mit dem Landespokalfight gegen Weiche Flensburg, gesagt zu bekommen, dass man nicht mehr spielen darf, ist hart und unverständlich. Noch unbegreiflicher ist es jedoch, wenn man sich die Gründe vor Augen hält. Am Freitag vor dem Spitzenspiel gegen Kilia Kiel wurde mir in einem zweiminütigen Telefonat mitgeteilt, dass ich ab sofort zunächst einmal bis Winter, vielleicht aber auch länger, nicht mehr die Nummer 1 sei. Begründet wurde dies damit, dass wir beide gleich gut und auf einem Level seien. Letztlich müsse nun eine Entscheidung her und die sei auf Schultz gefallen, weil dieser jünger als ich sei und zusätzlich die letzten 2 Jahre geduldig trainiert habe. Er sei jetzt einfach mal dran und ich solle dies jetzt mal so mitnehmen. Für mein Verständnis ist es allerdings so, dass jemand, der den Platz von einem anderen Torwart haben möchte, bessere Leistungen zeigen muss, um diesen zu verdrängen.

Fußball ist und bleibt auf dem Platz ein Teamsport und Fußball lebt von Fehlern, die zu Chancen und Toren führen. Davor ist niemand gefeilt und niemand kann sagen, dass er noch kein Tor verschuldet hat. Nichtsdestotrotz kommt es abschließend darauf an, wie man im Team damit umgeht und wie sehr man auf dem Platz für seine Mitspieler einsteht. Ein Stürmer schießt in einer Saison 25 Tore, hätte aber 35 Tore machen können. Sollte man ihn deswegen nun austauschen und auf die Bank setzten? Ein Abwehrspieler bereinigt diverse Angriffe und ist eine Bank in der Defensive, verschuldet jedoch im Laufe der Saison 2 Gegentore. Sollte man ihn deswegen nach einer bärenstarken Saison und 2 schlechten Spielen austauschen und auf die Bank setzen? Ein Torwart bereinigt unzählige Situationen in einer Saison, hält Punkte für die Mannschaft fest und pariert Bälle, die Tore hätten werden können bzw. müssen. Nun macht auch er mal einen Fehler und verschuldet nach vielen Spielen mal ein Tor. Sollte man ihn deswegen gleich austauschen und zur Nummer 2 machen? Wohl kaum und das sollte für die zuvor genannten Spieler ebenso gelten, wenn sie weiterhin stabile Leistung zeigen.

Mats Hinrichs beim Abstoss (SV Frisia Risum-Lindholm). © 2023 Ismail Yesilyurt
Mats Hinrichs beim Abstoss (SV Frisia Risum-Lindholm). © 2023 Ismail Yesilyurt

Ich habe immer gesagt, dass dieser ganze Aufwand für mich auch sportlichen Ertrag haben muss, ansonsten macht dies für mich keinen Sinn. Als Nummer 2 hast du 100% Aufwand, allerdings 0% sportlichen Ertrag. Ich bin 33 Jahre alt, habe eine Familie mit 2 kleinen Kindern, bin voll berufstätig und baue zusätzlich auch noch ein Haus. Wenn mir aus eben genannten Gründen gesagt wird, dass ich nicht mehr spielen darf, dann muss ich darüber nachdenken, was das Beste für meine Familie und mich ist. Es ist schwer, drei- bis viermal abends in der Woche plus einen Tag am Wochenende für mehrere Stunden beim Fußball zu sein und alles hintendran zu stellen, wenn man am Spieltag 90 Minuten auf der Ersatzbank sitzt, immer mit dem Hintergedanken, dass man seine Familie allein lässt und zusätzlich nicht nachvollziehen kann, warum man nicht spielt, obwohl man stabil und zuverlässig abgeliefert hat. Dieser Umstand nagt an der Stimmung. Wenn man als älterer Spieler und Familienvater zweier Kinder Geburtstage der Kinder, den Hochzeitstag oder andere familiäre Verpflichtungen regelmäßig hintenanstellt und dann so etwas zu hören bekommt und diese mangelnde Wertschätzung spürt, hinterlässt dies Fassungslosigkeit.

Letztlich habe ich das Gefühl, dass die Entscheidung größtenteils auch eine politische Entscheidung ist – Leistung und Erfahrung sekundär, Zukunftsaussichten primär. Wenn ich rückblickend betrachte, was ich in dieser Zeit geopfert habe, um beim Heider SV die Nummer 1 zu sein und dann durch solche Umstände abgesetzt zu werden, nehme ich dieses Verhalten als große Undankbarkeit wahr und bin menschlich auch sehr enttäuscht.

Aufgrund dieser Tatsache habe mich dazu entschlossen, bis zum Winter in die U23 des Vereins zu gehen, um dort weiterhin spielen zu können. Bisher gefällt es mir dort ganz gut. Die nächsten Wochen werden zeigen, wie es sich entwickelt. Mir macht es Spaß, mit den jungen Spielern zusammenzuspielen und zu sehen, wie sie sich von Spiel zu Spiel weiterentwickeln.

Kannst du dir vorstellen, noch einmal einen Wechsel zu einem anderen Oberligaverein zu vollziehen?
Wenn man 13 Jahre in der höchsten Landesklasse spielt, spricht das natürlich auch für den Ehrgeiz und die Disziplin, die man an den Tag gelegt hat und legt. In diesem Zusammenhang wünscht man sich natürlich auch, dass man dies auf diesem Niveau angemessen beenden kann. Grundsätzlich könnte ich es mir also schon noch einmal vorstellen, einen letzten Wechsel in meiner Laufbahn zu vollziehen, sofern eine Anfrage mich erreicht und die Rahmenbedingungen stimmen. Sofern also jemand der Meinung ist, meine Fähigkeiten und meine Erfahrung sind Attribute, die einer Mannschaft in der Oberliga helfen könnten, dann kann man sich unterhalten. Im Fußball ergeben sich manchmal unvorhersehbar und schnell Möglichkeiten, die man bis vor kurzem noch gar nicht für möglich gehalten hat. Dementsprechend muss man abwarten. Wenn sich allerdings nichts mehr ergibt, dann ist es so, wie es ist. Ich bin mit mir und meiner Laufbahn im Reinen und größtenteils zufrieden, so wie es verlaufen ist. Nach meiner Verletzung noch einmal so zurückzukommen, hat mich mit Stolz erfüllt. Nachdem waren alle Spiele Bonusspiele, weil nicht klar war, ob ich noch einmal so, wie ich es bisher kannte, wieder Fußball spielen könnte.

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