Das 4:3 für Inter Türkspor Kiel durch Okan Erkocu (24) kann auch Aushilfstorwart Henning Lorenzen (liegend) nicht verhindern. © 2022 Ismail Yesilyurt
Inter Türkspor Kiel – Husumer SV 5:3 (1:0)
Eine Begegnung mit hohem Unterhaltungswert boten in der Flens-Oberliga Inter Türkspor und der Husumer SV beim 5:3-Erfolg für die Kieler. Das Duell glich einem Boxkampf, bei dem die Kämpfer wild aufeinander schlagen und abwechselnd auf den Boden gehen.
Am Ende verpassten Okan Erkocu und Rezan Acer dem mutigen Aufsteiger von der schleswig-holsteinischen Westküste den K. o.. Insgesamt war es eine Partie, die die Gefühlswelt aller Beteiligten gehörig durcheinander wirbelte. 1:0 für Inter Türkspor, 2:1 für den Husumer SV, 3:2 für Inter und nach dem 3:3 das schöne Finale für die Mannschaft von Liridon Imeri.
Den ersten Schlag gab es von den Interisti. Zweimal durch Moshood Adesanya, der zunächst einen Schuss aus aussichtsreicher Position verzog (11.). Eine Minute später läuft der zehnfache Inter-Torschütze nach einem Fauxpas eines HSV-Verteidigers alleine auf Christopher Thomsen zu. Schon den Keeper umkurvt schießt Türkspors Neuzugang vom TSV Klausdorf den hinterher hechtenden Torwart Thomsen an, anstatt das leere Tor zu treffen.
Danach zeigt der Husumer SV deutlich die Handschrift von Coach Sebastian Kiesbye, mit Szenen nach dem Geschmack des früheren erfolgreichen Goalgetters. Mit schnellem Umschaltspiel beschwören die Gäste gefährliche Situationen und schlagen selbst zu. Am Ende springen nur Halbchancen, u. a. durch Valentin Sinzel und Pascal Ayene, heraus. Es zeigt sich jedoch, dass die Krabbenstädter sich nicht verstecken.
In der leichten Bedrängnis holt das Imeri-Team zum Gegenschlag aus. Nach einem Foul von Henning Lorenzen an Grady Zinkondo (25.) gibt es Elfmeter für die Gastgeber. Zur Ausführung tritt Acer an, der wie Panenka im EM-Finale 1976 zwischen der Tschechoslowakei und Deutschland treffen will. Mit einem Lupfer auf die Mitte des HSV-Tores. Der Ball fliegt indes knapp über die Latte. „Ich hatte meine goldenen Schuhe nicht an“, lachte Inters begnadeter und einfallsreicher Spielmacher nach dem Abpfiff und zeigte auf seine Schuhe.
Aber auch mit den schwarzen klappte es eine Minute später. Und wie! Mit einem Traumtor. Ein Freistoß auf der Linie linker Pfosten des gegnerischen Gehäuses zischt wie ein Strich aus 22 Metern rechts oben in den Winkel rein. Unhaltbar für Thomsen. Nach knapp 30 Minuten genehmigen sich beide Kontrahenten auf Augenhöhe eine kleine Ruhepause vor dem Start in die furiosen zweiten 45 Minuten mit Spaßfaktor zehn auf einer Skala mit zehn.
Die Mannschaft aus der Thedor-Storm-Stadt trommelt zunächst heftig auf den Kontrahenten aus der Landeshauptstadt ein. Inter Türkspor „bettelt um ein Gegentor“ wie es ein Zuschauer formulierte. Dennoch hält die Deckung der sehr passiven Kieler, ehe der Husumer SV seine sehr großen Spielanteile in ein Traumtor verwandelt. Finn Christiansen, mit zwei Torvorlagen und einem Treffer neben Raghib Kati und Pascal Ayenne stärkster HSV-Kicker, trifft zum 1:1. Im Bereich der linken Inter-Eckfahne mit einem Bogenschuss ins entfernte und für Nikolas Wulf unerreichbare Tordreieck.
Es kommt eine Minute sogar noch besser für die Gäste. Christiansen steckt auf Flemming Westensee durch, der fast von der Torauslinie mit dem Außenrist die Linie längs Wulf zum 1:2 überrascht.
Inter Türkspor Kiel geht zu Boden und steht aber sofort wieder auf. Stadionsprecher Bülent Seker ist gerade dabei, nach der Durchsage des 1:2 die Einwechselung von Badreddin Hamze durchzugeben, als der Eingewechselte nach einer kniehohen Hereingabe von rechts das Leder zum 2:2 unter die Latte hämmert. Zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode getrübt fahren die Gefühle auf beiden Seiten und allen Fans Achterbahn. Eine bemerkenswerte goldene Hand von Coach Liridon Imeri, dessen Elf den Gegner nun in die Ecke drängt.
Das 3:2 durch Adesanyas 11. Saisontreffer bringt die Kiesbye-Truppe zum Wanken und die zumeist türkischen Inter-Fans zum Ausrasten. „Ola“ trifft auf die Reise geschickt von rechts ins lange Eck von der Strafraumgrenze. Acer (71., 79.) und Hamze (72.) verpassen knapp den Knock-out. Nach etwas mehr als 80 Minuten stöhnen die Türkspor-Anhänger wieder auf. In ihrer misslichen Situation gelingt den spielerisch überzeugenden Gästen ein kurzfristiger Befreiungsschlag. Der eingewechselte Damian Krause vollendet einen Schnittstellenpass von Christiansen zum 3:3.
Ein starkes Solo von Okan Erkocu, nach einem tiefen Pass von Acer, schickt den Husumer SV erneut auf die Bretter. Erkocu spielt in der rechten HSV-Strafraumhälfte alle darin befindlichen Husumer samt Keeper Thomsen und auch den Torpfosten aus: 4:3. Acers 5:3 (das 11. Saisontor), der Krause im Zweikampf vor dem Strafraum mit einer Finte narrt und aus sieben Metern ins lange Eck trifft, beendet ein äußerst interessantes und amüsantes Oberliga-Spiel.
Eins, in dem der Husumer SV mit gefälliger Spielweise durchaus zu gefallen wusste. Eins, in dem auch die Problematik mit den fünf Gegentoren deutlich wurde für den Viertletzten auf dem ersten regulären Abstiegsplatz. Mit nun 45 Gegentreffern stellen die Husumer die schlechteste Defensive. Muss oder wird der Fokus in den kommenden Einheiten auf die Defensivarbeit gelegt? „Das machen wir ja schon seit Saisonbeginn“, hat Kiesbye mit dem Husumer SV im Defensivverhalten noch nicht den richtigen Takt gefunden. Offensiv spielt der Aufsteiger einen sehr guten und gepflegten Ball gepaart mit schnellem Umschaltspiel.
„Wir haben eine gute Phase in der zweiten Halbzeit 20 Minuten lang und völlig verdient 2:1 geführt. Ich habe keine Erklärung dafür, was danach passiert“, sagte Husums Trainer, „wir haben das Selbstvertrauen aus der zweiten Halbzeit nicht weiter fortgeführt. Wenn du drei Tore schießt, musst du gewinnen“.
Inter, mit Acer, Zinkondo und Adesanya (in der zweiten Halbzeit) als beste Spieler, kommt nach dem sechsten Spiel ohne Niederlage dem Ziel einer einstelligen Tabellenplatzierung einen Schritt näher. Mit einem guten Lauf ist für den Tabellensechsten vielleicht hinter den Top 4 der Belétage in Schleswig-Holstein (Kilia Kiel, SV Todesfelde, Heider SV, SV Eichede) nichts unmöglich.
Stimme zum Spiel
Inter Türkspor Kiel: Wulf – Erol (88. Stian Waschko), Schmidtke, Svirca, Volkers – Jashari (83. Ibrahimoglu), Zinkondo – Erkocu (90./+3 Lorentzen), Acer, Haye (63. Hamze) – Adesanya.
Trainer: Lirdon Imeri.
Husumer SV: Thomsen – Guth, Franck, Lorenzen, Wetzel – Raghib Kati, Christiansen – Westensee, Ayene (81. Giesen), Soumah (52. Jensen) – Sinzel (74. Krause).
Trainer: Sebastian Kiesbye.
Schiedsrichter: Max Rosenthal (VfL Bad Schwartau). War gar nicht auf dem Platz? Kam einen so vor bei seiner sehr guten Spielleitung.
Assistenten: Patrick Möller, Florian Westphal.
Zuschauer: 120.
Besondere Vorkommnisse: Acer (25., Inter Türkspor Kiel) verschiesst einen Foulelfmeter.
Tore: 1:0 Acer (25.), 1:1 Christiansen (62.), 1:2 Westensee (63.), 2:2 Hamze (64.), 3:2 Adesanya (69.), 3:3 Krause (81.), 4:3 Erkocu (82.), 5:3 Acer (90./+2).