St. Pauli erobert Kiel – Kilia verliert 2:3

von Ismail Yesilyurt

Keeper Tom Pachulski (Kilia Kiel), bester Kilia-Akteur, verfolgt aufmerksam das Geschehen in seinem Torraum. © 2024 Ismail Yesilyurt


Es war nicht der Tag der überregionalen Kieler Vereine. Während die Zweitliga-Kicker von Holstein Kiel im Spitzenspiel am Freitagabend gegen den FC St. Pauli mit 3:4 unterlagen, musste zeitgleich etwa 2 Kilometer Luftlinie entfernt der FC Kilia Kiel auf dem Kunstrasenplatz am Hasseldieksdammer Weg auch eine Niederlage mit 2:3 gegen die Zweitvertretung der Paulianer einstecken.

Mannschaft von Trainer Nicola Soranno wacht zu spät auf

Kurios: Zur Halbzeit stand es in beiden Stadien 3:0 für die Gäste. Dabei blieben die Kilianer 70 Minuten lang hinter den Erwartungen zurück. Und hätten aber fast noch ein ähnliches Kunststück vollbracht wie im Hinspiel, als die Elf von Nicola Soranno aus einem 0:2 in den letzten Minuten ein 2:2 machte. In der fünfminütigen Nachspielzeit treffen Kevin Harder und Jan Matti Seidel noch zum 2:3. Und mehr als ein paar Sekunden waren noch zu spielen. Doch die Möglichkeit auf den Lucky Punch gibt es nicht mehr.

Ben Opoku Labes mit ersten Chance des Spiels für Kilia

Das wäre auch nicht verdient gewesen aufgrund der Überlegenheit und Spielweise der Mannschaft von Elard Ostermann, der eine Vergangenheit als Trainer in Kiel im Holstein-Nachwuchsleistungszentrum hat. Auf der anderen Seite wäre es schnurzpiepegal gewesen, ob verdient oder nicht. Die Gäste aus Hamburg legen nach einer Schweigeminute für Franz Beckenbauer und Andreas Brehme gut los, doch die erste Möglichkeit eröffnet sich Kilia. Nach einem schnellen Konter, den Benjamin Petrick mit einem Pass in die Tiefe einleitet, schießt Ben Opoku Labes mit seinem schwächeren linken Fuß von der Strafraumgrenze über das Tor (10.).

Dauerdruck und brutale Effektivität tut Kilia weh

Danach setzt sich immer mehr der Zweitliga-Nachwuchs in Szene. Nach Ballverlust in der gegnerischen Hälfte gehen die Braun-Weißen sofort ins Gegenpressing über. Das schmeckt den Gastgebern nicht, die damit nicht klarkommen. Auch nicht mit dem Spielwitz, Tempo, Pressing,sicheren Kurzpassspiel, der Aggressivität, und individuellen Klasse des Gegenüber. Kilia Kiel läuft oft Ball und Gegner hinterher und kommt gar nicht in die Zweikämpfe. So dass die Kiezkicker immer wieder etwas ungestört kombinieren können. Zudem offenbart an diesem bitterkalten Freitagabend Pauli eine brutale Effektivität im Abschluss. Vier Chancen und drei Tore nach 24 Minuten, das tut den Kielern weh.

Johann von Knebel mit sehenswertem Hackentor zum 1:0 für Pauli

Zuerst bugsiert der Spieler mit dem vielen Vornamen ein flaches Zuspiel von Eric Da Silva Moreira mit der Hacke unhaltbar für Keeper Tom Pachulski zum 1:0 ins Netz. Kurz danach verhindert der Kilia-Goalie mit einer Parade den zweiten Treffer von Johann Magnus Kilian Ludwig von Knebel Doeberitz (15.). Auch beim 0:2 ist Pachulski machtlos. Mika Clausen steckt mit dem Außenrist schön durch die Schnittstelle auf Gwangin Lee. Der Südkoreaner beweist 7 Meter vor dem gegnerischen Gehäuse viel Übersicht und legt quer auf Julian Ulbricht, der keine Mühe hat, den Ball zu seinem 11. Saisontor über die Linie zu schieben. Auch den dritten Treffer bereitet Clausen mit einem Zuspiel durch die Abwehrkette vor: Marc Dühring taucht frei vor Pachulski auf.

Nicht symbolisch für das Spiel - Kevin Schulz (li.) und Drilon Trepca (Kilia Kiel) oben und Gwangin Lee (St. Pauli II) unten. © 2024 Ismail Yesilyurt
Nicht symbolisch für das Spiel – Kevin Schulz (li.) und Drilon Trepca (Kilia Kiel) oben und Gwangin Lee (St. Pauli II) unten. © 2024 Ismail Yesilyurt

An der Überlegenheit von St. Pauli ändert sich nichts bis zur Pause. Wenigstens lassen die Kieler keine weiteren großartigen Möglichkeiten zu und haben durch Florian Foit, der nach einem Standard einen schwierigen Ball nicht aufs Tor verwerten kann, noch eine Chance (38.) sowie 1, 2 nicht finalisierte Offensivbemühungen. Pauli trifft noch durch von Knebel ans Außennetz (44.).

Keine Auswechselungen der Heimelf in der Pause

Zur Halbzeit reagiert Nicola Soranno personell nicht und schickt die Startelf aus Hälfte eins wieder ins Rennen. “Am Ende des Tages haben wir gesagt, wir lassen es noch einmal 5 bis 10 Minuten laufen. Nochmal, wir haben es die Woche zuvor sehr gut gemacht und haben dann ja auch relativ früh gewechselt. War jetzt nicht so, dass ich gesagt habe, du liegst 3:0 zurück, da geht es erst mal darum, dass du kein Gegentor kriegst. Wir haben ein paar Sachen angesprochen in der Halbzeit, die wir dann einen Tick besser gemacht haben. Vor allem gegen den Ball“, erklärte Soranno auf Nachfrage bei der Pressekonferenz.

Zwei unterschiedliche 3-5-2-Systeme

Am Bild zwischen zwei Teams, die ein 3-5-2-System spielen, es aber anders interpretieren, ändert sich nichts mit Wiederbeginn. Die Truppe von Elard Ostermann dominiert weiterhin die Partie. Einziger Unterschied. Die Möglichkeiten werden nicht genutzt. Einen Schuss von Ulbricht pariert Pachulski (55.). Und wie er eine Minute später den Kopfball von Emil Staugaard hält, ist mit weltklasse noch untertrieben.

Tom Pachulski (Kilia Kiel) bei seiner Weltklasse-Abwehr in der 56. Minute. © 2024 Ismail Yesilyurt
Tom Pachulski (Kilia Kiel) bei seiner Weltklasse-Abwehr in der 56. Minute. © 2024 Ismail Yesilyurt

Kevin Harder und Jan Matti Seidel sorgen für spannendes Finish

Mit einem Dreifach-Wechsel nach knapp einer Stunde versucht der Coach des Aufsteigers aus der schleswig-holsteinischen Landeshauptstadt, neue Impulse zu setzen. Zunächst artet das in eine 6er-Abwehrkette aus. Spätestens mit dem Wechsel von Stürmer Ben-Luca Nohns, der kurz darauf eine scharfe Hereingabe nicht trifft, ist Kilia auf Augenhöhe und wirft allen Mut, den man nach einem 0:3 noch im Rucksack hat, auf die Waagschale. Im Hintergrund der Fotoreporter hört man vom menschlichen und lauten Liveticker auf der aufgebauten Tribüne die Zwischenstände aus dem Holstein Stadion. 2:4, 3:4, das wünscht man sich hier auch. Die guten letzten 20 Minuten führen schließlich über eine Möglichkeit für Marvin Müller (82.) zum Ehrentreffer durch Harder, der im Strafraum einen zu kurz abgewehrten Ball verwertet. Als Jan Matti Seidel kurz danach mit dem 2:3 die alleinige Führung in der internen Torschützenliste (5 Treffer) übernimmt, wittern viele schon ein unglaubliches Finish. Doch ihren fünften und verdienten Sieg in Folge lassen sich die Hamburger nicht mehr nehmen. Kilia Kiel verliert nach vier Partien in Folge ohne Niederlage vor eigenem Publikum (1:0 Holstein Kiel II, 2:2 Bremer SV, 0:0 VfB Oldenburg, 1:1 SSV Jeddeloh) wieder ein Heimspiel.

Fazit: kein gutes Spiel von Kilia Kiel oder ein megastarker FC St. Pauli II, der dem Gegner nicht viel gewährt? Wie so oft im Leben, im sportlichen wie auch natürlichen, liegt die Wahrheit in etwa in der Mitte. Und nicht zu vergessen, „Feierabendfußballer“ beim Neuling spielen gegen mehr als „Halbprofis“, die in der Regionalliga etabliert sind.

Elard Ostermann (Trainer FC St. Pauli II)
Nicola Soranno (Trainer Kilia Kiel)
Tom Pachulski (Keeper Kilia Kiel)
Malte Petersen (Defensivspieler Kilia Kiel)

FC Kilia Kiel: Pachulski – Petersen, Foit (59. Harder), Warncke – Trepca (59. Müller), Baller, Alt, Schulz (59. Acer), Ayyildiz – Petrick (78. Seidel), Labes (72. Nohns).
Trainer: Nicola Soranno.
FC St. Pauli II: Ahlers – Scheller, Mahncke, Staugaard – da Silva Moreira, Clausen (66. Marie), Jessen (67. Günther), Dühring, Lee (79. Merke) – Ulbricht (86. Kauschke), von Knebel.
Trainer: Elard Ostermann.
Beste Spieler: Pachulski – Mahncke, Clausen, Lee, da Silva Moreira, von Knebel.
Schiedsrichter: Lennart Wolff (Bremer SV).
Assistenten: Sebastian Schiller, Dennis Beuße.
Zuschauer: 250.
Tore: 0:1 von Knebel Doeberitz (13.), 0:2 Ulbricht (21.), 0:3 Dühring (24.), 1:3 Harder (90./+2), 2:3 Seidel (90./+3).

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