Lost Places Folge 4: Die Fußball-Pioniere des Kieler MTV

von Ismail Yesilyurt

Wer hätte das gedacht? Hier an der Ecke Westring-Eckernförder Str. rollte der erste Fußball in Kiel, getreten von Turnern des KMTV. © 2025 Helwig Pfalzgraf


In der vierten Folge unserer Serie über nicht mehr existierende Sportplätze in Kiel gehen wir heute ganz weit zurück: zu den absoluten Anfängen des Fußballs in Kiel.

Die heute beschriebene Spielstätte war der erste Platz, auf dem in Kiel überhaupt erstmals Fußball gespielt wurde. Allgemein bekannt ist, dass am 7. Oktober 1900 neun Turner des Kieler MTV nach Lübeck fuhren, um beim MTV Lübeck anzutreten. Der Lübecker MTV hatte bereits im Januar 1899 den Spielbetrieb gegen andere Vereinsmannschaften aufgenommen.

Allerdings hatte der Turnrat des KMTV den Spielbetrieb untersagt. Wohl einerseits, wie es in der Chronik des KMTV von 1948 heißt, wegen der hohen Reisekosten. Ein Grund wird sicherlich aber auch gewesen sein, dass in den meist national geprägten Turnerkreisen des Deutschen Kaiserreichs das aus England kommende Fußballspiel aus chauvinistischen Gründen weitgehend abgelehnt wurde. Zwar waren der deutsche Kaiser und das englische Königshaus miteinander verwandt, das änderte aber nichts an der Rivalität dieser beiden Mächte.

Der 1. Kieler Fußballverein wird von KMTV-Turnern in der Eisenbahn gegründet

Die neun Turner gründeten so auf der Bahnfahrt nach Lübeck ihren eigenen Verein, da sie nicht als KMTV antreten durften. Gespielt wurde schließlich mit zehn gegen zehn, der Lübecker MTV verlieh einen Akteur an die Kieler. Der frisch gegründete 1. Kieler KV gewann mit dem namentlich unbekannten Lübecker Leihspieler 1:0. Torschütze war Georg Blaschke, der später als Funktionär Karriere machte, u. a. als Reiseleiter der Nationalmannschaft fungierte und die Geschäftsstelle des DFB für längere Zeit nach Kiel brachte.

Doch was geschah vorher?

Bereits in den 1890er-Jahren war der Fußball in Kiel bekannt geworden. Er dürfte mehr oder weniger gleichzeitig auf verschiedenen Wegen den Weg in den Norden genommen haben. Aus England oder auch aus dem Süden des Deutschen Reiches kommende Studenten und Marineangehörige haben ihn mitgebracht. In Berlin, aber auch Hamburg und im Süden, war der Fußball schon länger angekommen.

Die Stadt wächst rasant

Zwischen 1885 und 1900 verdoppelte sich die Einwohnerzahl Kiels von 52.000 auf 100.000 Menschen, um dann bis 1910 nochmals verdoppelt die Zahl von 200.000 Einwohnern zu erreichen. Viele junge Menschen, vor allen Dingen Marineangehörige (die Stadt war seit 1871 Reichskriegshafen), aber auch Studenten, kamen nach Kiel, mit ihnen letztlich auch der Fußball.

Frühe KMTV-Fußballer in Kiel ca. 1897, dargestellt auf einer Postkarte. Rückseitig beschriftet "Auf dem Geibelplatz". © hfr
Frühe KMTV-Fußballer in Kiel ca. 1897, dargestellt auf einer Postkarte. Rückseitig beschriftet „Auf dem Geibelplatz“. © hfr

Mit der schnell wachsenden Stadt mussten neben den vielen nun gebauten Mietshäusern vor allem im Westen und Norden der Stadt auch Freizeitflächen geschaffen werden.

Stadt richtet „Spielplätze“ ein

Die als "Spielplatz" bezeichnete Parzelle Nr. 6 (lila umrandet) im Stadtplan von 1893 diente den ersten Fußballern als Fußballplatz. Die im Plan zu lesende Gemarkung "Wulfsbrook" ist nicht mit der viel später in Hassee angelegten Straße gleichen Namens zu verwechseln.
Die als „Spielplatz“ bezeichnete Parzelle Nr. 6 (lila umrandet) im Stadtplan von 1893 diente den ersten Fußballern als Fußballplatz. Die im Plan zu lesende Gemarkung „Wulfsbrook“ ist nicht mit der viel später in Hassee angelegten Straße gleichen Namens zu verwechseln.


Die als „Spielplatz“ bezeichnete Parzelle Nr. 6 (lila umrandet) im Stadtplan von 1893 diente den ersten Fußballern als Fußballplatz. Die im Plan zu lesende Gemarkung „Wulfsbrook“ ist nicht mit der viel später in Hassee angelegten Straße gleichen Namens zu verwechseln.

Der Stadtplan von 1893 weist an der Ecke der Eckernförder Chaussee (heute Eckernförder Str.) und dem heutigen Westring (damals erst geplant, nach Fertigstellung „Hohenzollernring“) einen Spielplatz aus. Den dürfen wir uns aber nicht als Spielplatz im heutigen Sinne mit Geräten usw. vorstellen. Es wird einfach eine öffentlich zugängliche Freifläche gewesen sein. In späteren KMTV-Chroniken ist vom „Geibelplatz“ die Rede. Heute gibt es am südlichen Ende dieser einstigen Spielfläche tatsächlich den direkt an den Westring grenzenden Geibelplatz.

Auf diesem Spielplatz rollte nun in den vermutlich späteren 1890er-Jahren erstmals der Fußball in Kiel. Die 1897 schon 27-köpfige, abgebildete Fußballgruppe des KMTV konnte hier aktiv dem neuen Sport frönen.

Professor Wilhelm Peter Christian Peters und sein Jugendspielverein – gleichzeitig auf dem Geibelplatz?

Doch ganz aufgeklärt ist die Fußballhistorie Kiels damit immer noch nicht. KielWiki schreibt dem Gymnasialprofessor Peters (1851–1933) die Gründung eines Jugendspielvereins zu, in dem „erstmals“ in Kiel Fußball gespielt wurde. Waren der „Jugendspielverein“ und die Fußballer des KMTV zwei unterschiedliche Gruppen in jenen 1890er-Jahren? Oder waren sie sogar identisch?

Doch hier geht es ja um die Plätze, auf denen gespielt wurde. Und auch für jenen Jugendspielverein kam mangels anderer Alternativen nur der hier besprochene Spielplatz als Spielort in Frage. Der heutige Prof.-Peters-Platz auf der anderen Seite der Eckernförder Str. ist übrigens nach dem Gründer des Jugendspielvereins benannt.

Die Lage des ersten Kieler Fußballplatzes im heutigen Stadtgebiet ist lila gekennzeichnet. © Stadt Kiel
Die Lage des ersten Kieler Fußballplatzes im heutigen Stadtgebiet ist lila gekennzeichnet. © Stadt Kiel

Wohnhäuser statt Fußballplatz

Dem Spielplatz war keine lange Existenz beschert. Bereits kurz nach 1900 setzte hier die Wohnbebauung ein, der 1. Kieler FV musste umziehen. Fußballspiele gegen andere Vereine fanden hier nicht mehr statt. Die Stadt stellte eine kleine, unebene Koppel an der damals noch kaum bebauten Eichhofstr. zur Verfügung. Diese nutzte der 1. Kieler FV jedoch kaum. Die ersten Spiele gegen andere Vereine und auch das Training fanden so erstmal auf dem Großen Exerzierplatz statt (siehe Folge 1 dieser Serie), der vom Militär zur Verfügung gestellt wurde.

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