Luftbild kleiner Kiel. © Stadt Kiel
Nach „Paradeplatz auf dem Großen Exerzierplatz: Hier spielte der FC Holstein zum allerersten Mal!“ und „Die Wiege des Rekordmeisters THW Kiel lag in Gaarden“ stellen wir uns in der dritten Folge unserer „Lost Places“-Reihe die Frage: Wo wurde eigentlich in Kiel erstmals Eintrittsgeld verlangt?
Von Anfang an standen die neu gegründeten Fußballvereine vor dem Problem: Wie finanziere ich alles? Da das Fußballspiel von Beginn an eine starke Faszination auf viele Menschen ausübte und Zuschauer anzog, lag die Idee nahe: Wir nehmen Eintrittsgelder. Dies war auch für die Vereine in Kiel eine Motivation, eigene Sportplätze zu bauen. Der Holstein-Platz (1911), der Kilia-Platz (1913) und der Platz des 1. Kieler FV (1914) entstanden unter anderem aus diesem Grund.
Doch der regelmäßige Spielbetrieb fand in Kiel bereits ab 1903 statt, als an eigene Plätze noch nicht zu denken war. Holstein Kiel entwickelte sich schnell zur Nummer 1 in der Stadt. Besonders Duelle gegen prominente auswärtige Gegner lockten viele Zuschauer an.
Holstein Kiel: Gute Beziehungen und eine clevere Idee
Als 1906 ein Gastspiel von Altona 93 anstand, kam man auf eine clevere Idee. Der bisher genutzte Spielplatz an der Gutenbergstraße gegenüber dem Vereinslokal „Storchnest“ war von allen Seiten frei zugänglich und daher schlecht geeignet, um Eintrittsgelder zu kassieren.
Wie bereits in Folge 1 zur Nutzung des Paradeplatzes auf dem Großen Exerzierplatz erwähnt, stand die Marine der neuen Fußballbewegung sehr aufgeschlossen gegenüber. So durfte Holstein Kiel auf dem geschlossenen Kasernenhof der Marinekasernen spielen. Dieser lag innerhalb des Kasernenkomplexes am Langen Segen bzw. der damaligen Karlstraße mit einer kurzen Stichstraße (Kasernenstraße) zum Kasernentor. Von allen Seiten abgeschlossen und nicht einsehbar, bot sich hier erstmals die Gelegenheit, systematisch Eintritt zu kassieren.
Dem damaligen Holstein-Schatzmeister Christian Kellner, der gleichzeitig Stammspieler jener Zeit war, bescherte dies einen unerwarteten Geldsegen: 800 Zuschauer zahlten je 30 Pfennig Eintritt, wodurch eine beachtliche Summe zusammenkam. Der Aufwand war minimal – kassiert wurde direkt am Kasernentor.


Auf dem obigen Beitragsbild von 1926 ist die Lage des Kasernenkomplexes lila umrandet. Auch der Sportplatz selbst ist im hinteren Teil der Kasernenanlage auszumachen.
Sonstige Platznutzung
Natürlich diente der Kasernenhof bis 1918 hauptsächlich militärischen Zwecken. Doch auch der 1915/16, 1917/18 (bis zur Revolution) und 1920/22 am Fußball-Spielbetrieb teilnehmende Marine SC dürfte hier gespielt haben. In der 50-Jahr-Chronik des Polizei SV Kiel von 1971 heißt es, dass der Polizei SV Kiel ebenfalls auf dem „Kasernenhof Annenstraße“ spielte. Vermutlich handelt es sich dabei um den hier behandelten Platz, da die Annenstraße bis zur vollständigen Zerstörung der Gegend im Zweiten Weltkrieg bis zum Langen Segen durchlief. Der Kasernenkomplex an der Ecke Langer Segen/Annenstraße hatte sogar einen zweiten Zugang.

Der heutige Straßenverlauf der in den 1950er Jahren gebauten Feldstraße (gelb/orange) durchschneidet das alte Kasernengelände und verläuft auf Höhe der heutigen Haltestelle „Uni-Kliniken“ diagonal über den damaligen Platz. Auch der damals sehr kurze „Breite Weg“ (ebenfalls gelb/orange) führt heute quer durch das ehemalige Kasernenareal und trifft in der Nähe des ehemaligen Kasernentores auf die heutige Feldstraße.
Blau eingezeichnet sind zur besseren Orientierung heute noch vorhandene bzw. neue Gebäude und Anlagen:
Unten blaue „Ecke“, Langer Segen 8-10:
Nach dem Krieg wurde dieser Bereich ähnlich wieder aufgebaut bzw. instandgesetzt. Heute liegt das damals schon vorhandene „wellyou“-Gebäude auffallend schräg zur Feldstraße, da es sich ursprünglich an der Karlstraße ausrichtete. Heute ist es durch einen Verbindungsriegel mit dem letzten noch vorhandenen baulichen Überbleibsel der Kasernen verbunden – der Hälfte des ehemaligen Bekleidungsamtes (heute Hämatologie der Uniklinik).
Der Nachkriegs-KTB-Platz am Breiten Weg 11
Blau markiert ist auch der heutige KTB-Sportplatz, der 1961 neu angelegt wurde. Er liegt nur etwa einen guten Schlagballweitwurf vom ehemaligen Kasernenhof-Sportplatz entfernt. „Wie Phönix aus der Asche“ auferstanden? Es ist natürlich Zufall, dass auch der vom Grünen-Politiker Jan Kürschner 1993 mitbegründete Phönix Kiel hier seine erste Spielstätte hatte.
„Mount Klamott“ im Andreas-Gayk-Wäldchen
Der blaue Kreis im Plan markiert den markanten Hügel im nördlich des KTB-Platzes gelegenen kleinen Wäldchen. Es handelt sich um einen Trümmerberg, ein Relikt des Zweiten Weltkriegs. Der Volksmund nannte ihn treffend „Mount Klamott“. Er liegt im letzten noch vorhandenen „Andreas-Gayk-Wäldchen“, einer Kieler Besonderheit. Der damalige Kieler Oberbürgermeister Gayk hatte die gute Idee, die nach Kriegszerstörung geräumten, oft staubigen Ödflächen der Stadt aufzuforsten.
Was blieb?

So gut wie kein Stein blieb hier auf dem anderen. Karlstraße und Kasernenstraße existieren nicht mehr. Das Luftbild stammt von Ende 1944 und zeigt die Verwüstung. Auch der Fußballplatz im Kasernenhof (lila umrandet) weist Bombentreffer auf. Lila umrandet und gelb ausgemalt ist der Verlauf der heutigen Feldstraße. Die blau markierten Gebäude sind wieder aufgebaut („wellyou“ und die Hälfte des ehemaligen Bekleidungsamtes) und dienen heute als Orientierungspunkte im Gelände.

Kaum noch vorstellbar! Hier, ungefähr unter der Bushaltestelle „Uni-Kliniken“, lag einst der Fußballplatz, an dem in Kiel erstmals Eintrittsgeld genommen wurde. Hinter der Baumreihe links ist noch die „wellyou“-Werbung zu erkennen, und mittig zwischen den Gebäuden die Hämatologie der Uniklinik – das ehemalige Marine-Bekleidungsamt (Langer Segen 8-10). Dies sind die einzigen Gebäude, die nach dem Zweiten Weltkrieg wieder aufgebaut wurden und sowohl im obigen Plan als auch im Bild blau markiert sind.
…must know
Ganz in der Nähe, am Haus Feldstraße 5, befindet sich eine Gedenktafel. Am 3. November 1918 zogen abends 5000–6000 Demonstranten vom Großen Exerzierplatz in Richtung der Kasernen. Ihr Ziel war die Befreiung der am 1. und 2. November festgenommenen Matrosen der „Markgraf“, die sich geweigert hatten, sich für ein letztes, sinnloses Auslaufen der Flotte gegen England opfern zu lassen.
Da die Marineführung bereits Befreiungsaktionen zugunsten der in der Marinearrestanstalt Einsitzenden befürchtet hatte, wurden von Polizei und Marine Straßensperren an der Karlstraße errichtet. An der Ecke Brunswiker Straße/Karlstraße trafen die Demonstranten auf einen Trupp der Torpedo-Division. Dieser schoss schließlich scharf in die Menge – es gab sieben Todesopfer und zahlreiche Verletzte.