Keeper Christopher Newe (VfR Neumünster) leitete mit einem Abschlag den Ausgleich gegen Heide ein. © 2025 Volker Schlichting
Am letzten Augusttag trafen die beiden traditionellen Schwergewichte des schleswig-holsteinischen Amateurfußballs, Rasensport Neumünster und Heider Sportverein, in der altehrwürdigen Grümmi-Arena in der Geerdtstraße aufeinander. Beide Teams sind gut in die Saison gestartet, der Sechste traf auf den Fünften, jeweils 12 Pluspunkte nach fünf Partien zierten die Habenseiten. Der heutige glückliche, aber nicht unverdiente 2:1 (2:1)-Erfolg der Hausherren kam aufgrund der Begleitumstände trotzdem höchst überraschend.
Der Gast aus Heide hatte insgesamt sieben Ausfälle zu verzeichnen, darunter der frühere PSV-Spieler Lennart Busch, in der Jugend auch für den VfR aktiv. Der breite Kader des Meisterschaftsaspiranten fängt das aber eigentlich locker auf, fast jede Position ist annähernd gleichwertig doppelt besetzt. Heute stand so Ex-Profi Christopher Buchtmann erstmals in der Startelf.
Unterschiedliche Ansprüche
Während Heide möglichst schnell in die Regionalliga zurück möchte, wollen die Veilchen lediglich eine sorgenfreie Saison in der Oberliga genießen.
Rasensport mit großen Aufstellungsproblemen
Die Heimelf musste ebenfalls auf einige Stammkräfte verzichten. Das fällt aber bei einem relativ kleinen, dazu noch mit vielen Nachwuchsspielern besetzten Kader deutlich stärker ins Gewicht als bei den Gästen von der Westküste. Von gleichwertiger Doppelbesetzung aller Positionen kann beim VfR absolut nicht die Rede sein. Bislang hatte der VfR im Prinzip deshalb immer der gleichen Startelf vertraut. In den ersten drei Spielen war sie identisch, danach jeweils einmal notgedrungen verändert. In fünf Spielen standen so erst 13 unterschiedliche Akteure in der Startelf.

Aus der bisher als erste Wahl geltenden Elf fehlten heute Ilir Serifi, Kevin Schulz (beide gesperrt), Christoph Kahlcke (verletzt) sowie Visar Mehmeti und erstmals seit über zwei Jahren auch Kapitän Kenny Korup (beide krank). Auch der sowieso schmächtige Jordan Marquard, mit deutlichem Gewichtsverlust nach zehn Tagen Krankheit, war eigentlich nicht spielfähig. Er lief aber notgedrungen auf, da ansonsten nur noch letztjährige oder aktuelle U19-Akteure, Spieler aus der Kreisligaelf sowie der 41-jährige Co-Trainer Patrick Amponsah zur Verfügung standen.
VfR-Trainerteam bastelt „Notelf“ zusammen
Veilchen-Coach Danny Cornelius und seine Co-Trainer Marcel Vones und Patrick Amponsah sahen sich also gezwungen, schwer zu improvisieren. Der deutlich geschwächte Marquard, eigentlich ein typischer Flügelflitzer, wurde auf die „10“ beordert, um nicht ganz so viele defensive Wege gehen zu müssen. Der Clou war aber, den erfahrenen Sturmtank Christopher Kramer als Abräumer vor die Abwehrreihe zu stellen. In der agierten Tom Schilling und Jonas Schomaker als Innenverteidiger. Für Schomaker, Kramer und den starken Sven Freitag war heute Startelf-Premierentag. Auch Tom Schilling und Marquard standen bislang erst einmal in der ersten Elf. Alle fünf boten heute ganz starke Leistungen.
Schomakers Startelf-Comeback …
… und seine heutige Leistung führten die damalige Entscheidung des Verantwortlichen, den Aufstiegskapitän nach dem vollzogenen Aufstieg im Sommer 2023 auszusortieren, nochmals ad absurdum.

Auch Tom Schillings Verpflichtung trotz zweijähriger Verletzungspause hat sich schon jetzt als absolut richtig erwiesen.
Heide bestimmt die erste Hälfte
Von Beginn an dominiert der aktuelle Vizemeister die Partie. Mika Kieselbachs strammer Kopfstoß (10.) gerät zu zentral, zeigt aber schon mal die Lufthoheit der Heider an. VfR-Keeper Christopher Newe pariert zwei weitere Kopfbälle von Patrick Storb und Noah Gieseler jeweils aus Nahdistanz nach Ecken oder Einwürfen. Am Boden allerdings kommt der HSV gegen kompakt stehende Lila-Weiße nicht so richtig durch. Die unfreiwillig fast nur auf die Defensive beschränkten Rasensportler wirken immer sicherer, bevor dann doch das 0:1 (24.) fällt. Der VfR schläft bei einem blitzschnell ausgeführten Einwurf auf den ungedeckten Buchtmann. Der flankt auf den zweiten Pfosten, wo Gieseler in ca. 2,50 Meter Höhe den Ball wieder in den Fünfer köpft, wo der freie Storb in aller Ruhe einnetzt.
Heide baut die Führung nicht aus
In der Folgezeit bestimmt der HSV souverän das Geschehen, lässt jedoch einige gute Gelegenheiten verstreichen. Wie schon in den letzten Partien gegen Rasensport ist auch wieder Aluminium im Spiel und ein Freund der Neumünsteraner.

Aus dem Nichts: Ausgleich
Als die Partie so vor sich hinplätschert, schlägt die Cornelius-Truppe gnadenlos zu. Weiter Abschlag Newe, Ola Adesanya leitet trotz harter Bedrängnis per Kopf weiter auf Kastriot Alija, der seine Schatten Steffen Neelsen und Björn Lambach abhängt und den Ball an Eric Gründemann vorbei einschiebt – 1:1 (41.).
Führung für den VfR, Rot für Steffen Neelsen
Doch damit nicht genug: Wieder langer Ball auf Alija, der ist an Neelsen vorbei. Alija wird deutlich gehalten, kommt zu Fall. Vor dem Strafraum? Im 16er? Notbremse? Lambach in der Mitte schien gleichauf mit Neelsen. Doch Anna-Lena Heidenreich entscheidet nach Rücksprache mit dem Assistenten auf Elfmeter und rote Karte für Steffen Neelsen. Kramer verwandelt eiskalt – das Spiel ist auf den Kopf gestellt.
2. Hälfte – Heide mit zehn Mann feldüberlegen
Mit zehn Mann bestimmt der Gast weiterhin die Partie, wirkt aber nicht mehr so zwingend. Man versucht viel über die linke Seite, wo es jedoch meistens kein Vorbeikommen an Nick Neca gibt. Schilling und Schomaker geraten unter starken Druck, halten dem aber stand. Über sie und die starken „Sechser“ Kramer und Freitag und immer wieder auch über Jan Lippegaus wird spielerisch von hinten raus die Umklammerung der in Unterzahl befindlichen Gäste durchbrochen. Wahlweise eingestreute lange Bälle auf die beiden Spitzen Alija und Adesanya bedeuten auch immer wieder Gefahr für das Tor von Gründemann. Defensiv ackert der VfR gegen zunehmend überlegene Gäste aufopferungsvoll, immer wieder ist ein Bein oder ein Kopf dazwischen. Berk Akcicek gelingt es immer wieder, für Entlastung zu sorgen. Großchancen für die Elf von Markus Wichmann ergeben sich trotz der Feldüberlegenheit kaum noch.

Konterspiel
Adesanya und Alija machen immer wieder ordentlich Meter. Alija kommt aus 16 Metern nach Solo (80.) zum Abschluss, in der Nachspielzeit scheitert er frei vor Gründemann (90.+5). Entscheidung vertagt.
Letzter Freistoß für Heide (90.+8) …
… nach überflüssigem Foul des jungen Yasin Diler vor dem eigenen Strafraum an Matti Harms. Der VfR-Anhang zittert, die HSVer hoffen. Doch der Schuss bleibt ungefährlich, wenig später ist Schluss. Es bleibt beim aufgrund der Ausgangslage überraschenden Heimsieg der Cornelius-Elf.
Fazit
Nach sechs Spieltagen steht Rasensport völlig unerwartet auf dem zweiten Tabellenplatz – erstmals seit der Saison 2012/13!
Besonders erfreulich: das freundschaftliche Verhältnis der beiden Fangruppen. So waren im VfR-Fanblock genauso HSV-Fans vertreten wie beim anschließenden Fantalk im Vereinsheim. Vorbildlich!
Stimmen zum Spiel
VfR Neumünster: Newe – Neca, Schilling, Schomaker, Lippegaus – Kramer – Akcicek, Marquardt (67. Diler), Freitag (90. Amponsah) – Alija (90.+7 Schmidt), Adesanya.
Trainer: Danny Cornelius.
Heider SV: Gründemann – Neelsen, Storb, Hinz – Lambach – Wolf (62. Harms), Buchtmann (72. Arndt), Reimers (67. von Böhlen), Fleige (73. Schaller) – Kieselbach, Gieseler.
Trainer: Markus Wichmann.
Schiedsrichter: Anna-Lena Heidenreich (VfB Lübeck).
Assistenten: Oskar Kühle, Tim Hohmann.
Zuschauer: 421
Rote Karte: Steffen Neelsen (45., Heide, Notbremse).
Tore: 0:1 Patrick Storb (24.) , 1:1 (41.) Kastriot Alija (41.), 2:1 Christopher Kramer (45.+2, FE).